Keine überzeugende Show

Die CDU-Spitzenkandidatin will auf dem Marktplatz die Massen für sich gewinnen. Viele Menschen werden sie wählen, doch sie nehmen die 51-Jährige nicht ernst – ein Problem, dass sich wie ein roter Faden durch die Biografie von Angela Merkel zieht

bremen taz ■ Schon zu Beginn muss Angela Merkel kämpfen, gegen die Sprechchöre der Fußballfans vom FC Basel, die auf das Championsleague-Qualifikationsspiel gegen Werder Bremen warten. „Duuu hast die Haare schön, duuu hast die Haare schön“, skandieren sie.

Ernst genommen will sie auf dem Bremer Marktplatz. Laut Umfragen hat sie die Mehrheit der Bürger hinter sich. Am Ende hat sie es schließlich immer geschafft, sich durchzusetzen – auch wenn sie noch nie bei Wahlen als Kandidatin legitimiert worden ist. Merkel will motivieren. Sie spricht über Renten und Wirtschaftsschwäche, aber sie hat keine wirklich neuen Konzepte. Sie will die Mehrwertsteuer erhöhen, um die Arbeitslosenversicherung zu entlasten. Keiner klatscht, auch nicht die, die CDU-T-Shirts tragen. Ein vereinfachtes Steuerkonzept „elektrisiere“ die Leute, behauptet die Kanzlerkandidatin. Doch der Funke springt nicht über auf das Publikum. „Die CDU unter Kohl hat nichts geschafft, Schröder nichts und ihr auch nicht“, ruft einer.

Angela Merkel will begeistern, doch die Menschen folgen ihr nicht. Daran können auch die vielen Plakate nichts ändern, die die Mitglieder der Jungen Union an die Rentner im Publikum verteilen. „Angie“ steht darauf – niedlich ist das, aber nicht ernst zu nehmen. Die Fans des FC Basel mögen ihren Club. Die Menschen, die Angela Merkel zuhören, respektieren sie – mehr nicht. Da ist es wieder, das mit dem Nicht-ernst-Nehmen.

Das ist das große Problem der Angela Merkel. Dafür kämpft sie ihr Leben lang, und manchmal wirkt es, als habe sie sich damit abgefunden, Außenseiterin zu bleiben. Sie kennt die Rolle, in der sie die Mehrheit gegen sich hat. In ihrer Jugend als Pfarrerstochter in der DDR, immer im Überwachungsdunstkreis der Staatssicherheit, beäugt von Mitschülern, die ihr die Kleider aus dem Westen und die schwer zu bekommenden Bücher neiden. Die Menschen achten sie, weil sie gescheit ist und klar in der Analyse, aber dazu gehört hat sie nie.

Das war in ihrer Zeit als Physikerin bei der Akademie der Wissenschaften so, als Pressesprecherin beim Demokratischen Aufbruch, als Bundesministerin und CDU-Generalsekretärin. Nur in den Regionalkonferenzen vor der Übernahme des Parteivorsitzes schaffte sie es, Mehrheiten zu organisieren.

Angela Merkel schottet sich ab, es gibt nur wenige in Partei und Fraktion, denen sie vertraut. Viele Ältere in der CDU haben sie lang ignoriert, haben sie väterlich gedeckelt, wie Helmut Kohl oder später väterlich zu umarmen versucht, wie der Bremer CDU-Landeschef Bernd Neumann, der auf dem Marktplatz direkt hinter ihr steht. Neumann möchte, dass eine neue Regierung Verständnis für die Bremer Haushaltsnotlage aufbringt. Angela Merkel schafft es nicht, zu klatschen, auch wenn das beim Publikum vielleicht ankäme. Sie könnte auch in Bonn sprechen oder Idar-Oberstein.

Nein, sie ist keine Populistin. Merkel versucht, die Wahrheit zu sagen, aber die ist bitter. Sie hat es gelernt, mit Widerständen und Widrigkeiten zu leben – viele Zuhörer wollen das aber nicht. Sie möchten, dass die Kandidatin Zuversicht ausstrahlt, doch ihre Mundwinkel sinken nach jedem Satz nach unten. Ihr fehlen Leichtigkeit und rhetorische Brillanz eines Joschka Fischer oder eines Gerhard Schröder.

Volkstribunin wird sie nicht mehr werden, auch in diesem Wahlkampf nicht. Viele Menschen auf dem Markplatz werden sie wählen, weil sie nicht wissen, wem sie sonst ihre Stimme geben sollen. Einer sagt: „Überzeugt bin ich von der Show hier nicht.“ Eine andere: „Sie soll die Leute nicht runterziehen.“ Wählen werden sie die CDU. Doch ernst nehmen sie die vermutlich neue Bundeskanzlerin nicht. kay müller