„Hitler hat meinen Vater ausgezeichnet“

JÜDISCHE GESCHICHTE Peter Hecht floh als Kind vor den Nazis. Nun tritt er als Zeitzeuge in Schöneberg auf

Peter Hecht ist ein fröhlicher Mann Mitte achtzig. Herzhaft lachend sitzt er gemeinsam mit seinem Sohn David auf der Bühne im Goldenen Saal im Rathaus Schöneberg. Dabei ist seine Geschichte alles andere als heiter. Als Zehnjähriger musste der hier im Viertel Aufgewachsene die Stadt und das Land verlassen.

Nun ist er eigens aus Australien angereist. Eingeladen hat ihn der Verein „frag doch!“, damit er im Begleitprogramm der Ausstellung „Wir waren Nachbarn“ erstmals öffentlich als jüdischer Zeitzeuge auftreten kann.

Ganz besonders erinnert er sich an die Pogromnacht am 9. November 1938. „Wir haben alle einen großen Schreck bekommen, auch die Deutschen“, erzählt Hecht. Am 10. November wurde sein Vater von der Gestapo abgeholt und ins KZ Sachsenhausen deportiert. Und am 11. erreichte die Familie ein Brief – vom Reichskanzler persönlich. Fast 75 Jahre später lacht Peter Hecht darüber: „Hitler hat meinen Vater für seine ehrenvollen Verdienste im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet.“

Der Vater unterschrieb nach drei Monaten im KZ, dass er Deutschland sofort nach seiner Freilassung verlassen und all seinen Besitz zurücklassen werde. Zu dem Zeitpunkt war die forcierte Ausweisung von Juden noch das erklärte Ziel der Nazis. „Uns blieb nur eine Stunde, dann war mein Vater wieder weg“, erinnert sich Hecht an die Rückkehr seines Vaters aus Sachsenhausen. Zwei Wochen später verließ auch der Rest der Familie das Land. Über Amsterdam und Jakarta reisten sie Richtung Australien.

Nur sein damals bereits über 80-jährige Großvater habe sich entschieden, in seinem jüdischen Altenheim in der Auguststraße zu bleiben, erzählt Peter Hecht. Was aus seinem Großvater wurde, war Hecht lange unbekannt. Erst die Historiker vom Verein „frag doch!“ haben sein Schicksal nun geklärt. Das Altenheim wurde 1941 von britischen Bomben getroffen. Der Großvater soll den Angriff zwar überlebt haben, sei dann aber kurz darauf gestorben.

Ein anderer Schöneberger Holocaust-Überlebender, der Rabbiner Leo Baeck, schrieb in den 50er Jahren: „Die Epoche der Juden in Deutschland ist ein für alle Mal vorbei.“ Das hat sich nicht bewahrheitet. Wenn Peter Hecht heute Berlin besucht, ist er nicht nur Zeitzeuge. Er kann auch seinen Sohn David und seine Enkelin besuchen, die inzwischen hier leben. BENJAMIN MOSCOVICI