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die dritte meinungAuch die Künstliche Intelligenz muss demokratisch ticken, sagt Yannick Haan

Yannick Haan engagiert sich seit mehreren Jahren politisch im Bereich Netzpolitik. Er ist unter anderem Sprecher des Forums Netz­politik der Berliner SPD. Im April veröffentlichte er über die Friedrich-Ebert-Stiftung „Gesellschaft im digitalen Wandel. Ein Handbuch”.

Die Bundesregierung hat in diesen Tagen mal wieder zum Digitalgipfel nach Nürnberg eingeladen. Angela Merkel, Peter Altmaier und Hubertus Heil wollen der Frage nachgehen, wie Deutschland den Anschluss im Bereich der Künstlichen Intelligenz behält. Deutschland, in vielen Branchen weltweit führend, hat den Anschluss an eine atemberaubend schnelle digitale Innovationslogik verloren. Innerhalb der Großen Koalition herrscht zwischen meiner Partei, der SPD und der CDU ausnahmsweise einmal Einigkeit, dass man die Digitalisierung des Landes schneller vorantreiben muss.

Derzeit geben zwei Länder den Takt der Digitalisierung vor: Erstens die USA mit Internetgiganten wie Facebook oder Netflix und einem mächtigen Unterhaltungskapitalismus. Zweitens hat China in den letzten Jahren einen internetbasierten Überwachungskapitalismus aufgebaut. Die chinesische Regierung überwacht das Online-Verhalten der Bürger sehr genau. Durch Social Scoring wird ein in den Augen der Regierung falsches Verhalten hart bestraft. Das anfängliche Freiheitsversprechen des Internets hat sich in China ins Gegenteil verkehrt. Beide Formen der Digitalisierung sind am Ende angekommen. Sowohl der Überwachungs- als auch der Unterhaltungskapitalismus führen mittlerweile zum kollektiven Nachteil für die Gesellschaft.

Anstatt den Entwicklungen in den USA und China hinterherzulaufen, sollte die Bundesregierung jetzt einen neuen europäischen Weg der Gemeinwohlorientierung entwerfen. Wir brauchen ein Ende des „immer höher, schneller, weiter“. Warum kreieren wir nicht ein öffentlich-rechtliches soziales Netzwerk, das nicht allein auf Unterhaltung und Überwachung setzt, sondern am Ende wirklich dem demokratischen Austausch dient? Warum stellen wir nicht die Technikfolgenabschätzung in den Mittelpunkt der Entwicklung von künstlicher Intelligenz? Die weltweite digitale Innovation führt derzeit zu einem ungebremsten Wettrennen in den Abgrund. Es wird Zeit, dass wir in Europa die digitale Machtfrage stellen.

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