WDR leistet Abbitte bei Roma

Ein WDR-Bericht hat den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma alarmiert, weil darin Taschendiebe als Roma gekennzeichnet werden. Den peinlichen Zwist muss der Intendant persönlich ausräumen

VON SUSANNE GANNOTT

Ausgerechnet der WDR soll rassistischen Vorurteilen gegenüber Sinti und Roma Vorschub leisten? Diesen Vorwurf konnte Fritz Pleitgen nicht gut auf sich sitzen lassen. Sein Haus sei sich der „besonderen Verantwortung gegenüber Minderheiten“ sehr wohl bewusst, betonte der Intendant gestern in Köln. „Der WDR hat viele Beiträge zu Sinti und Roma gebracht und immer mit sehr viel Verständnis und Sympathie berichtet.“

Ein WDR-Beitrag in der Sendung „Plusminus“ über Taschendiebstahl nötigte Pleitgen zu dieser Aussage. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hatte sich beschwert, in dem Bericht werde hervorgehoben, dass die Beschuldigten Roma sind. Für den Zentralrat war dieser Fall so empörend, dass er gestern mit einer 25-köpfigen Delegation beim WDR auflief – inklusive Überlebender aus deutschen Konzentrationslagern und einer Vertreterin des European Roma Rights Center (ERRC) aus Budapest.

Der Stein des Anstoßes wurde am 17. Mai 2005 in der ARD ausgestrahlt. Für den Beitrag hatte Plusminus unter anderem in Bulgarien mit einer Roma-Frau gesprochen, die freimütig zugibt, ihrem Dreijährigen Sohn das Stehlen beibringen zu wollen, damit er frühzeitig die nötige Fingerfertigkeit für das „Handwerk“ bekommt. Ein offizieller Roma-Vertreter erklärt zudem, in der Region Burgas werde die Tatsache offen diskutiert, dass viele Roma aus schierer Armut zu Taschendieben werden.

Diese Kennzeichnung von Taschendieben als Angehörige einer Minderheit sei „vor allem in der öffentlichen Berichterstattung“ zu unterlassen, verlangte gestern der Vorsitzende des Zentralrats, Romani Rose. „In unserem Rechtsstaat hat nur der Einzelne von ihm begangenes Unrecht zu vertreten, nicht seine Familie, Gruppe oder Minderheit, zu der er eventuell gehört.“ Auch die ERRC-Vertreterin Savelina Danova-Russinova zeigte sich „zutiefst betroffen über die rassistische Darstellungsweise in dem Film, der die ganze Minderheit in Zusammenhang bringt mit Kriminalität“. Sie sehe in einzelnen Sequenzen des Films „eine böswillige rassische Stereotypisierung“.

Der WDR-Chef zeigte sich einsichtig – auch wenn er die Kritik nicht in allen Punkten teile. Doch „grundsätzlich“ verstehe er das Ansinnen des Zentralrats. „Wir sind uns einig, dass wir nicht unbedarft Vorurteile nähren dürfen.“ Vorsichtig gab er sogar zu, in dem Beitrag sei „möglicherweise das eine oder andere übersehen worden“. Er habe darüber mit der Redaktion diskutiert, die dazu offenbar „etwas andere Ansichten“ habe als er. Auf jeden Fall, versprach er, werde der Beitrag nicht mehr wiederholt. Und in der Tat war er von der Plusminus-Webseite bereits am Mittwoch Abend gelöscht worden.

Damit war Rose am Ende zufrieden. Ursprünglich hatte der Zentralrat vom WDR eine juristische Verpflichtungserklärung verlangt, den Bericht nicht mehr zu senden. Aber das sei ja nun nicht mehr nötig, sagte Rose der taz. „Gottseidank“, fügte er hinzu. „Der Beitrag war furchtbar.“