Die Kunst des Bekommens

Hier gibt es noch Jobs: Heute treffen sich Geldeinwerber beim 3. Fundraising Tag in Hamburg. Fundraising-Profi Tom Neukirchen über soziales Marketing, den Tsunami und Friendraising

Immer mehr soziale, kulturelle und wissenschaftliche Einrichtungen sind von Kürzungen betroffen und bemühen sich verstärkt um Spenden und Sponsoren. Professionelle Fundraiser haben deshalb zur Zeit gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Heute findet in Hamburg der 3. Fundraising-Tag statt. Das Einsteiger-Seminar gibt Tom Neukirchen von der Hamburger Fundgiver Social Marketing.

taz: Wie viel Geld haben Sie schon eingeworben?

Tom Neukirchen: Mehrere Millionen Euro dürften es schon sein.

Was ist dran am boshaften Schlagwort, Fundraising sei die „Kunst des Bettelns“?

Gar nichts. Fundraising ist vielmehr Friendraising, also die Kunst, Freunde zu gewinnen. Es geht darum, eine individuelle Beziehung aufzubauen zwischen einem Spender und einer Organisation, damit ein Austausch statt finden kann: Der Spender gibt Geld für das inhaltliche Engagement einer gemeinnützigen Organisation und erhält dafür inhaltliche Werte und symbolische Gegenleistungen.

Wie gehen Fundraiser vor?

Vor allem Spender orientiert –und dafür gibt es leider kein Schema F. Am Anfang steht daher immer eine Analyse: Wer sind die aktuellen und potentiellen Spender und Interessenten einer Non-Profit-Organisation? Wer alle ansprechen will, wird nichts erreichen. Denn: die wenigsten Projekte begeistern die breite Masse. Die Basis möglicher Interessenten beispielsweise für kulturelle Projekte ist nicht unendlich verbreiterbar. Deswegen ist die Strategie des Upgradings so erfolgreich, das heißt, Spender dauerhaft an sich zu binden und zu immer höherem Engagement zu motivieren. Im Fundraising gilt die Faustformel: 80 Prozent der Spenden kommen von 20 Prozent der Spender.

Hat sich das Spenderverhalten im Lauf der Jahre verändert?

Nach dem Tsunami gab es einen wahnsinnigen Ausschlag nach oben. Vorher galt: 33 bis 40 Prozent der Bevölkerung in Deutschland spenden. Beim Tsunami stieg dieser Wert bis auf 50 Prozent an. Ohne den Tsunami müsste man feststellen: Das Spendenvolumen stagniert, und die Anzahl der Organisationen, die sich mehr um Fundraising bemühen, steigt. Es findet also eine Verdrängungswettbewerb statt, den letztlich die Fundraiser entscheiden werden.

Steigt demnach der Bedarf an professionellen Fundraisern auf dem Arbeitsmarkt?

Ihre Anzahl soll sich in den nächsten zehn Jahren verfünffachen. Derzeit ist der Bedarf an professionellen Fundraisern deutlich höher als das Angebot. Der Fundraising-Verband hat ermittelt, dass auf eine ausgeschriebene Stelle 150 Bewerbungen eingehen, aber kaum ein Bewerber hat das nötige Qualifikationsprofil. Daher erleben wir derzeit einen Professionalisierungs-Schub, wie er in der PR-Branche vor 15 Jahren stattgefunden hat: es etablieren sich Ausbildungsgänge, Fundraising wird zum erlernbaren Beruf.

Wo kann ich mich ausbilden lassen?

In Amerika gibt es Hochschulen, an denen man Fundraising studieren kann. Hier in Deutschland bietet eine Akademie in Frankfurt eine zweijährige berufsbegleitende Ausbildung. Außerdem gibt es Qualifizierungsmaßnahmen wie den Fundraising-Tag in Hamburg.

Fragen: Klaus Irler