„Die alten Palastgeister ausgetrieben“

Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei) wünscht sich eine weitere Zwischennutzung des Palastes der Republik. Sie habe dem Ort neues Leben eingehaucht. Er glaubt nicht daran, dass das Stadtschloss rasch aufgebaut wird

taz: Herr Flierl, bis vor kurzem hielt man die Schlossanhänger für rückwärts gewandt. Seit der Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie der Bundesregierung am Mittwoch hat sich der Wind gedreht. Freuen Sie sich jetzt auf das Barockschloss?

Thomas Flierl: Das beste Ergebnis der Studie ist, dass die öffentliche, kulturelle Nutzung die wirtschaftlichste Form ist. Ich hätte mir eine moderne, zeitgenössische Architektur gewünscht. Aber ich nehme zur Kenntnis, dass die historischen Schlossfassaden dazu beigetragen haben, eine weitgehend kommerzielle Nutzung auszuschließen. Die Schlossanhänger bleiben natürlich rückwärts gewandt.

Ist die Studie überhaupt das Papier wert, auf dem sie steht?

Es klafft eine Lücke zwischen der freudigen Deklamation und der politischen Beschlussfassung. Hier wird Zukunft behauptet von einer Regierung, die lange Zeit alle Machtmittel in der Hand gehabt hätte. Der schwächste Punkt aber ist, dass die Finanzierung noch nicht gesichert ist. Ich habe noch keine positive Zustimmung der bürgerlichen Opposition gehört. So droht immer noch das privat finanzierte und privat genutzte Schloss, für das das Humboldt-Forum nur als Vehikel diente.

Die geschätzten Kosten betragen um die 670 Millionen Euro. Wie beteiligt sich Berlin?

Berlin hat an der Entwicklung dieses Areals großes Interesse. Unser Anteil besteht darin, dass wir die mehrheitlich Berliner Grundstücke dafür einbringen. Ob darüber hinaus noch weiteres Geld fließen kann, werden wir im Senat prüfen.

Bundesbauminister Manfred Stolpe (SPD) will bereits 2007 anfangen zu bauen. Das erscheint wenig realistisch. Droht Berlin eine neue Brache, wenn der Palast Ende des Jahres verschwindet?

Was jetzt vorliegt, ist eine reine Planung. Sie unterstellt, dass der Investoren- und der Architektenwettbewerb unverzüglich ausgeschrieben wird. Dazu gibt es noch keine Beschlüsse. Ich rechne immer noch mit der schlechtesten Variante, der Wiese als Verlegenheitslösung. Der Palast hätte noch eine gewisse Zeit zwischengenutzt werden sollen, dann wäre auch der Zusammenhang zwischen Abriss und Neubau unmittelbar. So wird der Palast wohl doch für eine ungewisse Zukunft abgerissen.

Heute endet die Nutzung durch den Volkspalast. Was wird einmal davon in Erinnerung bleiben?

Die Zwischennutzung hat den Ort ins öffentliche Interesse gerückt und den alten Palastgeist ausgetrieben. Gleichzeitig hatten wir ein großartiges kulturelles Laboratorium in der Mitte der Stadt, in dem ein junges Publikum den Ort zwischen Vergangenheit und Zukunft neu erfand. Das hatte mit Ostalgie gar nichts mehr zu tun.

Sie haben den diesjährigen Berg selbst bestiegen. Was war Ihre Erkenntnis?

Ich habe mehrere Touren gemacht, zuletzt mit den Direktkandidaten der Linkspartei.PDS. Die Bergbesteigung als geistige Erhöhnung war eine schönes Motiv gegen die zumeist flachen Debatten Palast oder Schloss. Die Erkenntnis ist: Der Berg – nämlich die Frage, wie gehen wir mit diesem Ort um – ist doch noch zu hoch, als dass wir ihn erklommen hätten. Mir ist der Ausblick heute wichtiger als ein Abriss vor der Zeit.

Die Volkspalast-Macher wurden zuletzt für ihre „erkenntnisfreien Spaß-Events“ kritisiert. Zu Recht?

Zum Teil ja. Aber der Vorwurf, sich mit diesem Ort nicht adäquat auseinander zu setzen, geht in erster Linie an die Politik. INTERVIEW: TINA HÜTTL