Sozialisten reden über sich

Frankreichs größte Oppositionspartei lädt zur traditionellen „Sommeruniversität“. Sie ist personell zerstritten und die Führung tut so, als drohe ein Auseinanderbrechen

PARIS taz ■ „Sommeruniversitäten“ sind ein französisches Ritual. In den letzten Augusttagen, wenn die Politik in Paris langsam wieder anläuft, versammeln die Parteien ihre Spitzenkräfte zu „informellen“ Treffen in der Provinz. Vor idyllischen Kulissen lächeln sie gut erholt und braun gebrannt in die Kameras und bringen sich bei ihren Landsleuten in Erinnerung. Entschieden wird bei „Sommeruniversitäten“ nichts. Aber jeder Verein macht eine. Auch die Unternehmer des „Medef“ und die GlobalisierungskritikerInnen von Attac.

Besondere Aufmerksamkeit gilt in diesem Jahr der „Sommeruniversität“ der Sozialistischen Partei (PS). Sie beginnt heute, für drei Tage, im Küstenort La Rochelle. Und verspricht eine Menge Spektakel. Denn die größte Oppositionspartei – mit 120.000 Mitgliedern und dem Anspruch, beim nächsten Mal wieder das oberste Amt Frankreichs zu besetzen – ist tief gespalten. Sowohl in Sachen politisches Programm als auch bei dem Gekungel um Führungspositionen.

Das wichtigste Anliegen der französischen SozialistInnen scheint gegenwärtig die Frage: Wer wird Präsidentschaftskandidat im Jahr 2007? Unter anderem bewerben sich die Herren Jack Lang, Dominique Strauss-Kahn und Laurent Fabius. Eine Frau befindet sich nicht in dem Kreis. Das Zweitwichtigste ist scheinbar der Mann an der Spitze der Partei. François Hollande, der noch im vergangenen Sommer zum Kreis der „Präsidentiablen“ gehörte, gilt heute sogar seinen Freunden in der Partei als „Last“. Kritiker, wie PS-Mann Arnaud Montebourg, nennen ihn öffentlich ein „Desaster“.

Die PS hat in diesem Frühsommer ihren 100. Geburtstag gefeiert. Jetzt tut die Führungsriege so, als stünde die Partei vor dem Auseinanderbrechen. Ex-Premierminister Michel Rocard beispielsweise erklärte in einem Interview mit dem Magazin Nouvel Observateur, im Falle eines Sieges von Fabius müsse „die Schaffung einer neuen Partei“ erwogen werden. Ex-Minister Bernard Kouchner gibt ihm Recht. Die beiden gehören zum „sozialdemokratischen“ Flügel der PS. Sie wollen die „hundertjährige Debatte zwischen Pseudo-Marxisten und wahren Reformisten“ (Rocard) zu ihren Gunsten regeln. Die andere Seite hält die Spaltungsgerüchte für Panikmache. Untereinander sind sich die linken Flügel aber uneinig darüber, wen sie ins präsidentiale Rennen schicken wollen.

Letzter Auslöser für das sozialistische Dillema war das EU-Verfassungsreferendum vom 29. Mai. Damals votierte die Parteiführung für ein „oui“. Die Mehrheit der FranzösInnen hingegen, darunter auch die meisten PS-WählerInnen und ein paar linke Parteileute, stimmten mit „non“. Die linken PS-Flügel verlangen seither eine Kehrtwende der Partei. Die Führung hingegen will an ihrer Linie festhalten.

In der Sommerpause haben sämtliche PS-Flügel mehrere hundert Gramm schwere politische Positionspapiere erarbeitet. Bei der Rückkehr aus dem Urlaub verstopften sie die Briefkästen der Parteimitglieder. Entschieden wird über das künftige Programm – und damit auch den künftigen Präsidentschaftskandidaten – freilich erst in drei Monaten. Dann findet ein Sonderparteitag in Le Mans statt.

Angesichts dieser Kungelei hat die PS in La Rochelle kaum Zeit, sich als Alternative zur rechten Regierungspolitik zu zeigen. Dabei mangelt es nicht an Themen. Zum Beispiel der in der Sommerpause eingefühte neue Arbeitsvertrag, der Frankreich ganz nah an das US-amerikanische Hire-and-Fire-System bringt. Der Vertrag führt eine „Probezeit“ von zwei Jahren ein. Während 24 Monaten dürfen kleine und mittlere Unternehmer ihre Beschäftigten von einem auf den anderen Tag rausschmeißen. Ohne Begründung. DOROTHEA HAHN