LESERINNENBRIEFE
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Fruchtbares Lernen

■ betr.: „Bitte keine Sonderwelten“, taz vom 28. 9. 12

Sonderwelten statt Inklusion beginnt in den allermeisten Fällen bereits in der Schule. Es wird die Chance verpasst, jungen Menschen von Anfang an zu zeigen, wie fruchtbar gemeinsames Lernen ist. Mein Sohn wurde gerade eingeschult und hat das Glück, als junger Mensch ohne Einschränkungen in einer Integrativklasse unterrichtet zu werden. Diese Erfahrung wird die Inklusion für ihn für seinen späteren Lebensweg selbstverständlich machen. Leider gibt es noch zu wenige solcher Angebote. DIRK HOPPE, Hannover

Ikone Kohl

■ betr.: „Ehre, wem Ehre gebührt“, taz vom 28. 9. 12

Die ganze Welt kämpft mit den Folgen der für viele südliche Länder verfrühten Euroeinführung – Helmut Kohl wird dafür geehrt. Die Wiedervereinigung wie auch die europäische Einigung entpuppen sich als dauerhafte ärgerliche Finanzmonster, als Konstrukte sehr am Rande jeder Verfassungslegalität – Helmut Kohl wird daran zur Ikone. Spendenskandal? Vergessen! Selbst sein Privatleben, die neue Frau sorgt sich doch rührend, ist ohne Fehl. Aber: War da nicht was mit seiner Hannelore? MICHAEL MARESCH, München

Das lässt mich ratlos zurück

■ betr.: „Ratlos in Ramallah“, taz vom 28. 9. 12

Ihr Beitrag lässt mich ziemlich ratlos zurück. Einerseits fordern Sie demokratische Wahlen in den Palästinensergebieten, andererseits haben die US-Regierung und Israel die demokratische Wahl der Hamas nicht anerkannt, sondern diese palästinensische Partei zur Terrororganisation erklärt. Es ist bekannt, dass Israel ursprünglich die Hamas sogar unterstützte – nach dem Prinzip: Divide et impera!“ Hat Israel irgendein Interesse, die Kluft zwischen Hamas und der Palästinensischen Autonomiebehörde zu überwinden? Israel dreht, wie Sie zu Recht bemerken, nach Belieben den Hahn der Steuerzuflüsse auf und vor allem zu. Einerseits kritisieren Sie auf palästinensischer Seite „die zögerlichen Internationalisierungsversuche bei den Vereinten Nationen“, andererseits schreiben Sie: „Der Versuch einer Internationalisierung des Konflikts über den UN-Aufnahmeantrag ist mangels einer Mehrheit im Sicherheitsrat erst einmal gescheitert.“ Der Satz ist nicht korrekt, politisch jedoch richtig, denn der Aufnahmeantrag hatte im Sicherheitsrat eine Mehrheit, scheiterte jedoch am üblichen Veto der USA. Schließlich beklagen Sie das Internationale Desinteresse an dem Schicksal der Palästinenser. Nichts ist Israel natürlich lieber als das, so kann es willkürlich schalten und walten. Ich hatte vor 11 Jahre eine von medico international organisierte Reise zu den Polisario-Flüchtlingen in die Westsahara unternommen. Auch diesen Menschen hatten die USA und die EU viel versprochen, unter anderem eine Volksabstimmung unter UN-Aufsicht in dem von Marokko annektierten Gebiet. Nach 35 Jahren warten sie noch immer vergeblich darauf. Dank eines Fischereiabkommens mit Marokko können die EU-Länder die Küsten der Westsahara leer fischen, während dieselbe EU als Almosen ein paar billige Lebensmittel in die Flüchtlingslager schickt. Ihr Beitrag in der taz endet: „Doch ohne einen Preis zu zahlen, ist auch dieser Weg nicht zu haben.“ Welcher Preis dies sein könnte, verraten Sie leider nicht. Übermorgen reise ich mit taz-reisen in das besetzte Jordanland und werde nach 43 Jahren wieder erstmals in Tel Aviv landen. Damals hatte ich in einem Kibbuz gearbeitet und noch den Erzählungen vom israelischen Gründungsmythos geglaubt. MARTIN BREIDERT, Bad Honnef

Zufällig im Kanzleramt

■ betr.: „Gewalt im Jobcenter“, taz vom 27. 9. 12

Was macht Helmut Kohl zum Kanzler der Einheit? Nun, dass er zufällig gerade das Kanzleramt verwohnte, als die Ereignisse akut wurden. Wem haben wir die Einheit zu danken? Dem Zusammenbrechen der DDR. Einem fehlerhaften Fernsehbericht (staatlich gelenkte Medien, bringen den Staat zu Fall, welch Pointe!), der sich abzeichnenden Staatspleite (die allein deshalb aber noch lange nicht die Einverleibung der DDR in die BRD hätte bedeuten müssen) und Hunderttausenden demonstrierender Menschen (die das Glück hatten, keinen zweiten 17. Juni zu erleben). Ursprünglich gewillt, bestenfalls einen anderen Sozialismus herbeizuführen, sind sie den leeren Versprechungen gefolgt und haben an der Wahlurne für den Kanzler entschieden. Quelle surprise! Seitdem, blühende Landschaften aller Orten. Ach ja, wie hat Kohl eigentlich die Einheit „gestemmt“? Indem er ein Loch, das sich vor ihm auftat und sich weitete, je genauer man hineinsah, schnell mal eben mit Geld auszupolstern hoffte, die Ursache für einen Großteil der heutigen Staatsschulden der BRD. Auch mit der Treuhand, die den Teil der DDR-Wirtschaft, für den noch Hoffnung bestand, sauber verramscht hat und einem Gutteil der Arbeiterschaft endlich die Arbeitslosigkeit brachte, die man zuvor nicht kannte. THOMAS TREICHEL, Leipzig