: Jenseits von Scheherazade
Unbearbeitete Traumata und gelungene Integration: Im Bremer City 46 findet das siebte arabische Filmfestival „Aflamna“ statt
Von Wilfried Hippen
Das arabische Wort „Aflamna“ bedeutet: „unsere Filme“. Viele davon gibt es nicht, denn von einer arabischen Filmbranche kann man kaum sprechen und von den wenigen Filmen, die etwa in Algerien produziert werden, wurden viele mit europäischen Fördergeldern mitfinanziert.
So etwa „Warten auf Schwalben“, der am 23. August als Produktion der Nordmedia auf diesen Seiten besprochen wurde und gleich fünfmal auf dem siebten arabischen Filmfestival „Aflamna“ im Bremer City 46 gezeigt wird. Heute um 18 Uhr wird dies der erste Film im Programm sein.
Nur einmal hingegen wird der libanesische Spielfilm „Der Affront“ vorgeführt und zwar heute um halb neun Uhr. Darin beleidigt der palästinensische Flüchtling Yasser den christlichen Libanesen Toni wegen einer Lappalie. Der Streit eskaliert und landet vor Gericht. Die Medien berichten und bald randalieren rechte Libanesen und Palästinenser auf dem Straßen. In dem Film, der im letzten Jahr für den Oscar für den besten fremdsprachlichen Film nominiert wurde, geht es um männliche Sturheit und die unbearbeiteten Traumata der libanesischen Nation.
Feierlich eröffnet mit Grußworten, Musik und Empfang wird das Festival am Freitag um 20 Uhr, und für den Eröffnungsfilm „Wir sind ägyptische Armenier“ ist der Produzent Sherif Mansour zu Gast. Der Dokumentarfilm von Waheed Sobhi und Hanan Ezzat zeigt, dass Armenier in arabischen Ländern ganz anders behandelt wurden und werden als etwa in der Türkei. Nach dem Völkermord im Jahr 1915 flohen Tausende von Armeniern nach Ägypten, wo ihnen die gleichen Rechte wie den Einheimischen eingeräumt wurden. Sie konnten dort ihre Sprache und Kultur pflegen sowie eigene Kirchen, Schulen und Sportclubs bauen.
Auch heute noch gelten sie in der öffentlichen Meinung als eine Bereicherung der ägyptischen Gesellschaft und Wirtschaft. Die Filmemacher zählen eine ganze Reihe von Armeniern auf, die in Ägypten als Cartoonisten, Fotografen, Sänger oder Schauspieler bekannt wurden. Hier wird ein Gegenmodel zu der im Westen gängigen Integrationspolitik entworfen, und so liefert der Film zumindest einen Denkanstoß. Selbst die ägyptische Filmkritikern Lara El Gibaly, die ihm jeden filmkünstlerischen Wert abspricht, weil es ihm an „Kohärenz und einem narrativen Faden“ fehlt, lobt ihn als „gelungene Geschichtslektion“.
Der algerische Film „Timgad“ (mit französischem und belgischem Geld finanziert) hat den viel witzigeren und selbst für deutsche Ohren aussagekräftigeren Originaltitel „La Juventus de Timgad“, denn es geht hier um die heilenden Kräfte des Fußballspielens. In dem kleinen titelgebenden Ort, der durch seine antiken römischen Ruinenfelder bekannt ist, werden an einem Tag im Jahr 1996 elf Söhne und eine Tochter geboren. Bald darauf wird das Dorf von Djihadisten überfallen und die meisten Väter der Kinder werden umgebracht.
Zehn Jahre später gründet der Dorfschullehrer mit den elf von diesen Kindern den Fußballclub Juventus Timgad. Er will, dass sein Team so gut wird, dass es an einem Meisterschaftsturnier in Marseille teilnehmen kann. So symbolisiert das Turnier die Hoffnung auf ein neues Algerien. Der Regisseur Fabrice Benchaouche erzählt die Geschichte als ein modernes Märchen, bei dem schließlich sogar die Tochter Fußball spielen muss, was allen Traditionen und Rollenbildern des Landes widerspricht.
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