Den Sozialdemokraten geht die Basis flöten

Die Glaubwürdigkeit der SPD ist verloren, sagen zwei altgediente Vorständler aus einem Kölner Arbeiterviertel – und treten der Wahlalternative bei. Auch sonst rumort es an der Parteibasis: Den Genossen fehlt die Lust am Wahlkampf

KÖLN taz ■ Die Übertritte von SPD-Ortsvorständlern nur neuen Linkspartei.PDS reißen im Kölner Arbeiterviertel Buchforst eine Wunde auf, die bisher verkleistert wurde: „Eine sozialdemokratische Politik ist unserer Meinung nach nur noch bei der WASG möglich“, hatte der bisherige Vorsitzende der Buchforster SPD, Franz-Albert Krämer, erklärt. 33 Jahre lang war er Mitglied der SPD. Als Vorsitzender des Personalrats bei der Kölner Bundesagentur für Arbeit galt er dazu als sozialpolitisches Aushängeschild der Kölner Sozialdemokratie.

Die Glaubwürdigkeit sei der SPD verloren gegangen, erklärten die beiden Rebellen Krämer und Martin Zorn bei ihrem letzten Auftritt. Fast 100 Mitglieder hätten den Ortsverein seit dem Regierungsantritt von Gerhard Schröder verlassen. Ermutigt vom abgewanderten Vorstand haben jetzt auch etwa zehn Buchforster Sozialdemokraten ihren Austritt erklärt. Andere äußerten sich dagegen enttäuscht von den Abgängern: „Ich bin seit Jahrzehnten in der SPD“, meinte ein Parteimitglied. „Ihr könnt uns doch jetzt nicht im Stich lassen!“

Aus Parteikreisen in Köln war unterdessen zu erfahren, dass auch andere Ortsvereine über ähnliche Schritte nachdenken. Doch offiziell wird die Austrittswelle heruntergespielt. „Die Kölner SPD hat im Juni bundesweit die meisten Neu-Eintritte gehabt“, jubiliert etwa Vorsitzender Jochen Ott. Doch im Bundestagswahlkampf fehlt den alten und neuen SPD-Genossen weitgehend die Überzeugungskraft – was auch die Internetseite der Kölner SPD beweisen mag. Die aktuellste Meldung datiert hier vom Ende Juli. Der Ortsverein Höhenhaus sei für einen parteiinternen Internetpreis nominiert worden, heißt es da. Zumindest diese Vorstandsmitglieder bleiben anscheinend noch bei der Stange – wenn sie ihre groß gelobte Seite nicht mitnehmen zum bösen Mitbewerber.

Den Zorn der Basis fassten die entnervten Buchforster Ex-Sozis gestern in einer Pressekonferenz zusammen. „Wenn die in der Parteispitze meinen, die, die austreten, waren nur lästig, dann sollten sie mal drüber nachdenken, wer hier die Wahlkämpfe gemacht hat“, sagte Krämer. Er will jetzt jedenfalls unter dem orangefarbenen Reklameschirm der ehemaligen WASG Prospekte verteilen.

Ob auch die SPD hier Wahlwerbung machen wird, ist völlig unklar: „Die meisten der übrig gebliebenen 40 Mitglieder haben kaum noch Lust, für diese Partei auf die Straße zu gehen“, glaubt Krämer. Möglicherweise haben die ja auch anderes zu tun, wie zum Beispiel Veranstaltungen der Konkurrenz zu besuchen. „Viele kommen zu uns und sagen, eine zum Teil jahrzehntelange SPD-Mitgliedschaft werfen sie nicht einfach weg“, sagt Linkspartei-Sprecherin Gisela Stahlhofen. „Die wollen auch mal schauen, was wir so für Leute haben und ob die sympathisch sind.“ Da sei der Beitritt von Krämer und Zorn natürlich ein großer Gewinn für die neue Linke. FRANK ÜBERALL