: Im Zeichen der Fledermaus
Bad Segeberg ist als Stadt der Karl-May-Festspiele bekannt. Doch der Kalkberg, an dem sich die berühmte Freilicht-Bühne befindet, bietet auch ein seltenes Naturereignis – das größte bekannte Fledermausquartier Deutschlands. Interview mit einem Fledermausexperten zur heutigen „Bat-Night“
Fragen: Barbara Mürdter
taz: Die Fledermaus hat ja in unserer Kultur einen denkbar schlechten Ruf. Früher wurde sie mit dem Teufel in Verbindung gebracht und als Vampir gejagt. Gibt es heute diese Vorurteile noch?
Michael Göttsche: Die sind immer noch da, aber die Naturschutzarbeit in den letzten Jahrzehnten hat geholfen, dass sich das Bild der Fledermäuse zum Positiven gewandelt hat. Es sind ja nur drei Arten von weltweit über 900, die sich von Blut ernähren. Die saugen das auch nicht, sondern die haben sehr scharfe Zähne, mit denen sie die Haut ihrer Opfer – Säugetiere und Vögel – aufritzen und dann das Blut lecken. Nur eine Art fällt gelegentlich auch Menschen an, und die ist vor allem als Krankheitsträger für Tollwut gefährlich und nicht wegen des Blutverlustes. In Europa kommen diese so genannten Vampirfledermäuse auch nicht vor, sondern nur in Südamerika.
Wo findet man in Norddeutschland Fledermäuse?
Fledermäuse sind wärmeliebende Tiere. Im Süden ist also ein größere Artenvielfalt größer als im hohen Norden. Wir in Schleswig-Holstein haben immer noch 15 von 23 Arten, die in Deutschland leben.
Fledermäuse gelten als bedroht. Stimmt das immer noch?
Fledermaus ist nicht Fledermaus. Die sehen nicht nur unterschiedlich aus, wenn man genau hinguckt, sie haben auch ganz unterschiedliche Ansprüche an ihren Lebensraum. Viele Arten haben ihre Sommerquartiere, wo sie ihr Jungen großziehen, an Gebäuden. Andere jagen über Gewässern oder wohnen in Baumhöhlen. Die Tiere können sich ihre Unterschlupfmöglichkeiten nicht selber bauen und sind auf vorhandene Strukturen angewiesen. Und die sind begrenzt, ob es nun Höhlen sind oder unterirdische alte Keller. Die Ritzen und Spalten, in denen sie sich verstecken können, werden weniger, selbst in den Wäldern fehlen die alten, höhlenreichen Bäume. Aufgrund der mangelnden Quartiere müssen die Fledermäuse immer noch als gefährdet angesehen werden.
Wenn man unverhofft einer Fledermaus begegnet, wie verhält man sich da am besten?
Fledermäuse sind Kulturfolger, ganz viele Arten leben mit dem Menschen. So passiert es schon mal, dass man in Kontakt mit einer Fledermaus kommt. Man findet ein Tier, das tagsüber irgendwo im Haus herumgeistert. Das kann krank sein, altersschwach und es gibt die wildesten Unfälle, mit Kakteen, Stacheldrahtzäunen und sogar Autounfälle. Man muss immer daran denken, dass das Tier verletzt sein kann. Wenn man es anfasst, kann das Tier durchaus mal zubeißen. Die haben ja auch, um dicke Käfer zu verknuspern, recht spitze Zähne, das kann schon weh tun. Deshalb sollte man, wenn man sie aufliest, immer ein Tuch nehmen, oder einen Handschuh. Man kann sie dann in einen Karton setzen, ein bisschen Küchenkrepp mit rein, dass sie sich verstecken können. Und dann ist das Beste, man versucht einen Fledermausexperten zu kontaktieren, zum Beispiel über das Internet oder den örtlichen Naturschutzbund im Telefonbuch.
Es gibt ja immer wieder Geschichten, dass Fledermäuse, oft zuhauf, unverhofft in Wohnungen auftauchen. Was macht man da?
Wenn Fledermäuse in eine Wohnung einfliegen, sprechen wir von einer Invasion. Das passiert im Spätsommer, wenn Jungtiere gerade flügge geworden und mit den Müttern unterwegs sind. Die müssen, um den ersten Winter zu überleben, erstmal geeignete Überwinterungsstellen gezeigt kriegen. Die fliegen dann an Hausfassaden entlang und stoßen dabei auf ein abgeklapptes Fenster und denken „Oh toll, da geht‘s in ein wunderbares Winterquartier!“ Schwubbs, sind die Fledermäuse alle drin. Manchmal erst auch nur eine, die dann nicht mehr rauskommt, weil sie durch die Gardinen nicht durchfindet. Die stößt dann so genannte Sozialrufe aus, über die die Fledermäuse neben ihren Ortungsrufen verfügen. Dadurch werden dann fatalerweise auch Artgenossen angelockt. Die gelangen dann in die gleiche Falle, so dass wir manchmal Wohnungen haben, wo 20, 30 Fledermäuse in einem Zimmer hängen, in Gardinen, in Lampen und man dann alle Mühe hat, die Tiere wieder abzupflücken. Hilfreich ist es in solchen Situationen, wenn man die Fenster weit öffnet, das Licht anmacht, das mögen die nicht, dann fliegen die ins Dunkle raus.
Wann und wo kann man Fledermäuse am besten beobachten?
Den Sommer über, an den klassischen warmen Abenden. Da mal einfach an ein Gewässerufer gehen. Oder vielleicht hat man das Glück, dass die durch den Garten flattern. Es werden auch Führungen angeboten. In Schleswig-Holstein starten wir gerade ein Projekt, das sich „Flederlausch“ nennt. Da wollen wir Gruppenführungen anbieten, weil die Anfragen, Fledermäuse zu erkunden stetig steigen. Da gehen viele sogar schon einen Schritt weiter und fragen, wie sie Fledermäuse bei sich ansiedeln können. Dafür haben wir das Projekt „Fledermausfreundliches Haus“ ins Leben gerufen. Da gibt es fachkundige Beratung, was man aktiv für die Flattermänner im eigenen Wohnumfeld machen kann. Wir sind auch Ansprechpartner für Leute, die schon Fledermäuse bei sich wohnen haben, wo die Tierchen sich von sich aus an den Gebäuden niedergelassen haben. Vielen sind die erstmal unheimlich, wenn sie die zufällig entdecken. Viele reagieren erstmal: „Oh Gott, weg mit den Viechern“, weil man nicht weiß: was machen die da, verändern die irgendwas, fressen die meine Isolierungen an oder vermehren die sich ins Uferlose? Ein, zwei Gespräche helfen da oft, um einen neuen Fledermausfreund zu erzeugen.
Was kann man am Haus machen? Die meisten Menschen wollen sicher nicht ihr Schlaf- oder Wohnzimmer mit Fledermäusen teilen.
Oftmals denkt man ja, Fledermäuse leben in Kirchen oder in alten Bauernhöfen. 95 Prozent der schleswig-holsteinisches Hausfledermäuse leben aber an Einfamilienhäusern. Die mögen gern enge, kuschelige, spaltenartige Verstecke. Man kann so genannte Fassadenflachkästen anbringen, die sind aus atmungsaktivem Holzbetonmaterial und sind 40 mal 50 Zentimeter groß, so eine Fledermausfamilie braucht auch schon ein bisschen Platz. Wenn man die selbst baut, soll man drauf achten, dass die innen sehr rau sind, also ungehobeltes, sägeraues Holz, damit sich die Fledermäuse darin gut festhalten können. Und man soll selbstverständlich Holzschutzmittel vermeiden, die für die Tiere giftig sein könnten.
Wer hat bei so einer direkten Begegnung mehr Angst: die Menschen mit ihren Vorurteilen oder die Fledermäuse vor den Menschen?
Der Mensch ist ja eigentlich der einzige natürliche Feind der Fledermäuse. Vielleicht kriegt mal ein Marder auf einem Dachboden eine Fledermaus zu fassen, oder eine Eule fängt eine. Es ist zwar nicht mehr so wie früher, als die Tiere noch als teuflisch verschrien waren und gezielt verfolgt wurden. Aber durch moderne Bauweise und Waldwirtschaft leiden die Tiere unabsichtlich durch unser Tun. Eine Scheu haben die nicht vor uns. Fledermäuse lassen sich von allen Säugetieren fast noch am einfachsten beobachten. Die fliegen einem wenige Meter um die Ohren. Wenn man sich sehr mit den Tieren beschäftigt, sind die sogar teilweise neugierig, umfliegen einen und gucken, wer da kommt und was der da treibt, was eigentlich sehr schön ist.
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