Einübung völkischer Gemeinschaft

Die rechte Szene hat noch nie so viele Immobilien und Grund und Boden besessen wie heute. Die Diskussion „Rechte Räume“ in der Volksbühne über völkische Siedler, Altstadt und Kyffhäuserdenkmal

Völkischer Kitsch an einer Hauswand in Jamel Foto: Karsten Thielker

Von Martin Conrads

Ein gut gefülltes Parkett deutete darauf hin, dass hier ein Thema handhabbar gemacht werden sollte, das über Raumtheorie weit hinausgeht: Um den „Aufschwung rechtspopulistischer Politik, dessen Auswirkung auf ,Rechte Räume’ und unseren Umgang mit Ihnen“ sollte es bei einer Diskussionsveranstaltung am Samstagabend im Großen Haus der Volksbühne gehen. Der Philosoph Armen Avanessian moderierte die in Kooperation mit der Bundeszentrale für Politische Bildung, dem Goethe Institut und der von Avanessian bewusst als „politisch“ bezeichneten Architekturzeitschrift Arch+ zusammengestellte Runde.

Der Stuttgarter Architekturtheoretiker Stephan Trüby, die für ihre Recherchen in der rechten Szene bekannte Journalistin Andrea Röpke und der Philosoph und Aktionskünstler Philipp Ruch vom Zentrum für politische Schönheit sprachen über „imaginierte Vergangenheit“ als Topos einer rechtsnationalen und rechtsradikalen Aneignung von ländlichem und urbanem Raum.

Drei Themen hatte man sich vorgenommen: Um „von Rechts besetzte Räume“ sollte es gehen, um Rekonstruktionsarchitektur und um Gedächtniskultur. „Räume“ beziehe sich weniger auf Gebautes als vielmehr auf Territorien, wie Trüby ausführte. Er und Andrea Röpke gaben zunächst einen Überblick: Über völkische Siedlungsprojekte etwa, als Projekte der „Sammlung und Einübung von völkischer Gemeinschaft“ und als Orte der Radikalisierung.

Die Anwesen von Udo Pastörs, Karl-Heinz Hoffmann oder Frank Rennicke wurden hinsichtlich ihrer baulichen Symbolik gezeigt und thematisiert. Zur Sprache kamen auch Siedlungskonzepte wie das mecklenburgische Dorf Jamel oder die Initiative „Kulturraum Land“, bei der, laut Eigenbeschreibung, der ländliche Raum „von der linksliberalen Schickeria zurückerobert werden“ solle.

Laut Röpke habe die rechte Szene noch nie eine solche Masse an Immobilien und an Grund und Boden gehabt wie heute. Um Orte zu schaffen, in denen man die politische Hoheit besitze, nutze die Szene vor allem Sackgassendörfer – der Abgeschiedenheit, aber auch der Kontrollmöglichkeiten gegenüber Ortsfremden halber.

Handelt es sich bei diesen Beispielen eher um Territorien im ländlichen Raum, gelte für städtische Bauten, so Avanessian, dass sie neuerdings zu bevorzugten Kampfplätzen von Rechts geworden seien. Sein Verweis auf die neu erbaute Frankfurter Altstadt wurde von Trüby aufgegriffen, der in einer Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung im April darauf hingewiesen hatte, dass einer der Initiatoren des Projekts ein Rechtsextremer sei.

Trübys These, dass sich Rekonstruktionsarchitektur „derzeit zu einem Schlüsselmedium der autoritären, völkischen, geschichtsrevisionistischen Rechten“ entwickle, hatte für einigen Wirbel in den Feuilletons und für verbale Aggression von Rechts im Internet gesorgt. Dass Teile der AfD Rekonstruktionen als Bestandteil einer „konservativen Wende“ proklamieren, kann nicht verwundern.

Die Sprache rechter Bildpolitik muss man erst wieder lesen lernen

Trüby zitierte den AfD-Politiker Björn Höcke: „Ein Volk, das keine Denkmäler mehr errichtet, sondern nur noch Mahnmale, hat keine Zukunft.“ Trüby wies darauf hin, dass sich die rechte Szene bisweilen einer architektonischen Bildsprache bediene, die man „erst wieder zu lesen lernen müsse“. Denn dass sich etwa die Symbolik des Kyffhäuserdenkmals auch gegen die Sozialdemokratie richte, müsse angesichts der Verwendung des Motivs bei Bildinszenierungen des AfD-„Flügels“ mitgedacht werden. Das Denkmal wurde 1888 vom Deutschen Kriegerbund initiiert, der 1873 als Sammelorganisation der monarchistischen und nationalistischen Kriegervereine gegründet worden war.

Philipp Ruch stellte das Projekt des „Holocaust-Mahnmals Bornhagen“ vor: Das Zentrum für politische Schönheit hatte im November 2017 einen verkleinerten Nachbau des Berliner Holocaust-Mahnmals auf einem hierfür gepachteten Grundstück im thüringischen Dorf Bornhagen – in Sichtweite zu Höckes Anwesen – errichtet. Darauf waren Mitglieder der Gruppe von regionalen Höcke-Unterstützern angegriffen, aber auch von Teilen der Bevölkerung unterstützt worden. Letztere seien froh, „dass die Politkunst nicht nur in London ausgestellt werde“, sondern auch mal in die lokale Wirklichkeit einbreche, sagte Ruch.

Der Abend war fortgeschritten, als bereits die ersten Publikumsbeiträge eher lavierten statt vom Podium ausgelassene Themen zu benennen, etwa: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Postulierung rechter Räume und der Absage des Konzerts von Feine Sahne Fischfilet in Dessau? In welchem Rekonstruktionszusammenhang stehen die Pläne für die Errichtung einer Berliner Altstadt um den Molkenmarkt?

Man müsse konservative und linke Positionen zusammenbringen, um gegen die rechten Übernahmen zu bestehen, lautete Trübys Fazit.