Petition zur mentalen Gesundheit: Ein Feiertag ohne Stress und Hektik
Das Bundesland Berlin sucht einen neuen Feiertag. Eine Petition schlägt den 10. Oktober vor, den Tag der mentalen Gesundheit.
Berlin ist das Bundesland, das deutschlandweit die wenigsten Feiertage hat. Neun sind es – im Vergleich zu 13 in manchen bayerischen Regionen. Der Berliner Senat möchte das ändern und einen zusätzlichen freien Tag einführen. Unklar ist bisher noch, welcher es werden soll.
Jan Lenarz wünscht sich, dass es der 10. Oktober wird – der Tag der mentalen Gesundheit. Er hat zusammen mit seiner Kollegin Milena Glimbovski eine Petition ins Leben gerufen, die das fordert. „Mit dem zusätzlichen Feiertag wollen wir Aufmerksamkeit dafür schaffen, dass die meisten von uns Berliner*innen mal dringend eine Pause brauchen von dem Druck, den diese Stadt auf uns ausübt“, steht in ihrem Aufruf. „Dazu zählt zum Beispiel der Stress durch Leistungsdruck, durch unsichere Wohnsituationen oder durch ausbeuterische Arbeitsverhältnisse.“
Bei 30 Prozent der Berliner zwischen 18 und 25 Jahren wurde ein psychisches Leiden festgestellt, gab die Krankenkasse Barmer Anfang des Jahres bekannt. Es ist der höchste Wert in Deutschland. Jan Lenarz und Milena Glimbovski haben ihre eigenen Erfahrungen mit psychischen Leiden gemacht: Beide hatten vor wenigen Jahren ein Burn-out. Die Berliner Start-up-Szene, in der sie unterwegs waren, hatte sie ausgesaugt.
Aus einem eigenen Bedürfnis heraus haben sie sich mit Achtsamkeit beschäftigt, sagt Jan Lenarz. Und schließlich einen Verlag gegründet, der ganzheitliche Terminkalender mit Achtsamkeitstrainings herausgibt. Sie versuchen dort umzusetzen, was sie zuvor in der Arbeitswelt vermisst haben: Einmal im Monat gibt es ein Mitarbeitergespräch. Und sie sind sehr streng, wenn jemand versucht, sich mit einer Erkältung ins Büro zu schleppen. „Das würden wir theoretisch sogar abmahnen“, sagt Jan Lenarz.
Anlass der Petition Berlin will einen neuen Feiertag einführen
Das wollen die Initiatoren Ein größeres Bewusstsein für mentale Gesundheit
Das wollen sie nicht Schlechte Arbeitsbedingungen, unsichere Wohnverhältnisse, Leistungsdruck
Ihr Verlag, den sie „Der gute Verlag“ genannt haben, residiert an der ehemaligen Kindl-Brauerei in Berlin-Neukölln in einer umgebauten Fabrikhalle. Draußen stehen Hochbeete voller Grünkohl und Wildblumen, drinnen wurden die Büros aus recycelten Materialien gebaut: zum Beispiel aus alten Brandenburger Gewächshäusern. Zwei, drei Tage pro Woche ist er im Büro, sagt Lenarz. Die restliche Zeit arbeitet er im Home-Office.
Vor drei Jahren haben Lenarz und Glimbovski ihren Verlag gegründet. Irgendwann ist ihnen aufgefallen, dass viele Menschen ihnen als Feedback geschrieben haben: Eure Tipps sind schön, aber ich habe gar keine Zeit dafür. Vor einiger Zeit beschlossen sie deshalb, verstärkt politische Arbeit zu machen. „Arbeitgeber und die Politik haben großen Einfluss auf die steigende Zahl psychischer Erkrankungen in Berlin“, sagt Lenarz.
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Der Tag für mentale Gesundheit soll ein Symbol sein und Bewusstsein für das Problem schaffen. „Wir fordern bessere Arbeitsbedingungen: ein striktes Verbot zum Beispiel, MitarbeiterInnen außerhalb der offiziellen Arbeitszeiten zu kontaktieren. Außerdem ein besseres Therapieangebot in Berlin und vor allen Dingen eine Enttabuisierung von mentalen Problemen“, erklärt Lenarz.
Die Petition ist erst seit gut zwei Wochen online und hat bereits über 12.000 Unterschriften gesammelt. Sie läuft mindestens noch ein Jahr, bis zum nächsten Tag der mentalen Gesundheit am 10. 10. 2019. 50.000 Unterschriften sind nötig, damit sich der Senat mit dem Thema befasst.
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