Der Müll, der Mann und das Geld

In Köln steht ab heute Norbert Rüther vor Gericht. Der Vorwurf: Der Ex-Landtagsabgeordnete der SPD trat 1999 für die Teilprivatisierung der städtischen Müllabfuhr ein und soll dafür kassiert haben

VON PASCAL BEUCKER
UND FRANK ÜBERALL

Wenn Norbert Rüther morgens mit Bus und Bahn zur Arbeit fährt, mag er manchmal kaum die Zeitung aufschlagen. Immer wieder gibt es dort unfreundliche Schlagzeilen über ihn. Dabei will der gelernte Psychiater lieber nicht mehr in der Öffentlichkeit stehen. Seine SPD-Mitgliedschaft und die Politik hat er vor ziemlich genau dreieinhalb Jahren weit hinter sich gelassen. Seitdem jagt ihn die Justiz – wie auch heute wieder vor dem Kölner Landgericht.

Rüther und Richter Martin Baur kennen sich schon. Vor der gleichen Strafkammer war er vor einigen Monaten frei gesprochen worden. Damals ging es um Schwarzgeld, das er aus der millionenschweren Korruption um den Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage angenommen haben sollte. Der Richter schimpfte zwar über die politische Rolle Rüthers, sprach ihn aber letztlich frei. Nun könnte das Urteil weniger glimpflich ausgehen. Wegen des Verdachts der Bestechlichkeit steht diesmal eine Mindeststrafe von einem halben Jahr Gefängnis im Raum.

Die Vorwürfe stammen aus dem Jahr 1999. Das war die Glanzzeit des damaligen NRW-Landtagsabgeordneten und Chefs der SPD-Fraktion im Kölner Rathaus. 150.000 Mark überließ der Entsorgungsunternehmer Hellmut Trienekens dem einflussreichen Rüther. Der steckte das Geld brav in die Parteikasse, behielt nichts für sich selbst. Nun wirft ihm die Staatsanwaltschaft trotzdem vor, er habe sich mit dem Geld bestechen lassen.

Hintergrund ist die Teilprivatisierung der städtischen Müllabfuhr. Zuerst war die SPD in einer Art Beißreflex dagegen. Der Verkauf kommunalen Eigentums kam für sie prinzipiell nicht in Frage. Dann aber drehte sich die Stimmung. Die Gewerkschaften machten sich plötzlich für die Privatisierung stark, weil sie sich bessere Arbeitskonditionen erhofften. Die SPD, allen voran Rüther, schwenkte um. Dumm nur, dass zu dieser Zeit auch die Trienekens-Spenden flossen. „Herr Rüther hat sich der Bestechlichkeit schuldig gemacht, indem er das Geld annahm und im Gegenzug für die Privatisierung eintrat“, meint Staatsanwalt Günther Feld. Die Ermittler sind überzeugt, dass Rüther mitten drin gesteckt hat im Korruptionsnetz rund um den Müll. „Völliger Unsinn“, sagt Verteidiger Georg Leber: „Unser Mandant war nie bestechlich.“

Nun wird Richter Martin Baur die politische Entscheidungsfindung von damals gründlich aufarbeiten müssen. Nur zwei Verhandlungstage hat er dafür anberaumt. Als Zeugen wurden Ex-Müllunternehmer Hellmut Trienekens und der Ex-Manager des Müllofens, Ulrich Eisermann, geladen. Es ist wahrscheinlich, dass sie die Aussage wie in früheren Prozessen verweigern. Und ebenso wahrscheinlich ist, dass wohl auch dieses Verfahren unabhängig von seinem Ausgang später beim Bundesgerichtshof landen wird.

In der Kölner Justiz tobt nämlich ein Streit darüber, ob Ratspolitiker Amtsträger sind. Die würden im Gegensatz zu Landtags- oder Bundestagsabgeordneten strafrechtlich deutlich härter behandelt. Für sie gelten sogar die äußerst strengen Korruptionsstrafen wie für Beamte. Bisher war bundesweit noch niemand auf die Idee gekommen, Ratsmitglieder als Amtsträger zu sehen. Der Kölner Müllskandal brachte da die Wende.

Der Rüther-Prozess wird deshalb eine Weichenstellung für andere Fälle sein. Im Prinzip hat Rüther nichts anderes gemacht als Altkanzler Helmut Kohl, der anonyme Großspenden in die CDU-Kasse lotste. Nur Rüther hat es später getan, nach einer Änderung des Parteiengesetzes. Die parteipolitische Ausgewogenheit könnte aber auch im klüngelgeneigten Köln bald juristisch wieder wettgemacht werden: Auch gegen den früheren CDU-Vorsitzenden Richard Blömer wird wegen umstrittener Spenden ermittelt. Der einstige Landtagskollege Rüthers dürfte deshalb ebenfalls sehr gespannt sein auf den Verlauf des heute beginnenden Prozesses.