Frust über die Frist

Erzieher werden in Bremen nur befristet eingestellt, zu immer schlechteren Konditionen und mit erhöhten Arbeitszeiten. Jetzt gibt es einen Rechtsstreit

bremen taz ■ Wenn Anna Meyer* ihren Lebenslauf aufschreibt, braucht sie eine Menge Papier. Dabei hat die 43-Jährige gar nicht so häufig den Arbeitgeber gewechselt; seit über drei Jahren arbeitet sie in einer Kita im Bremer Norden. Doch hat sie es dort mittlerweile auf sieben Arbeitsverträge gebracht, alle zeitlich befristet. Die Stunden hat sie reduzieren müssen, weil es weniger Kinder in der Kita gab, und Sonderzahlungen kalkuliert sie auch nicht mehr ein.

Anna Meyer ist es leid, dass sie nie eine Sicherheit hat, immer abhängig ist vom Staat, der ihr immer schlechtere Konditionen bietet für die immer gleiche Arbeit. Sie bekommt kein Urlaubsgeld mehr und weniger Weihnachtsgeld. Zuletzt musste die Frau hinnehmen, dass ihre Arbeitszeit an die der Beamten angeglichen wird. Statt 38,5 Stunden muss sie nun 40 arbeiten. Das bedeutet für die Kindergärtnerin 26 Euro pro Monat weniger. „Ich lasse mir doch nicht mein Gehalt kürzen“, sagt sie entrüstet.

Nun gibt es Hoffnung für Meyer, denn in einem Urteil haben Bremer Arbeitsrichter festgelegt, dass dies nicht rechtens ist. Hintergrund ist, dass das Land Bremen seine KindergärtnerInnen nicht nach Tarif bezahlt. Das Land hat den Tarifvertrag nicht verlängert, schließt seit Mitte 2004 Verträge mit Angestellten im öffentlichen Dienst ab, in denen die Arbeitszeit angeglichen wird. Das ist aber eine einseitige Veränderung des Vertragsinhaltes, dass der anderen Seite nicht zumutbar ist, argumentierten die Richter.

Verdi-Justiziar Holger Anthonisen wollte zunächst einen Musterprozess führen. „Das hat die andere Seite abgelehnt“, sagt er. Nun muss jeder Angestellte im öffentlichen Dienst, der von der Arbeitszeitneuregelung betroffen ist, geltend machen, dass er damit nicht einverstanden ist. Erst das ermöglicht die Klage. In neuen Arbeitsverträgen ist Bremen jetzt dazu übergegangen, die Arbeitszeit stundenmäßig festzuschreiben. „Eine Regelung, die besser ist als nichts. So kann wenigstens nicht die Arbeitszeit ins Uferlose nach oben gesetzt werden“, sagt Anthonisen.

Ziel der Gewerkschaft bleibt, dass das Bundesland den Tarifvertrag übernimmt, den Bund und Kommunen mit der Gewerkschaft verdi geschlossen haben. Bisher lehnt das die Verwaltung ab, weil es zu teuer sei, so Senatssprecher Klaus Schloesser. „Es wird versucht, mit juristisch unsauberen Methoden, an das Geld der Angestellten zu kommen“, sagt dazu Holger Anthonisen, der zuversichtlich ist, „in allen weiteren Instanzen“ Recht zu bekommen.

Für Anna Meyer bleibt der Druck. Viele Kolleginnen hätten Angst zu protestieren, weil sie fürchteten, dass dann ihr befristetes Arbeitsverhältnis nicht verlängert würde. Dabei haben die meisten Erzieherinnen nur Teilzeitjobs und bekommen „ein Popelgehalt“, wie es Anna Meyer ausdrückt. Sie muss von knapp über 1.000 Euro leben, arbeitet 25 Stunden in der Woche. Ihr Arbeitsvertrag läuft noch bis Ende Oktober. Dass sie überhaupt weiterbeschäftigt wird, erfuhr sie einen Tag vor dem Beginn der Ferien. Bei der Agentur für Arbeit ist sie immer noch als arbeitssuchend gemeldet. kay müller*Name auf Wunsch geändert