„Es bringt ja auch keiner mehr die Brötchen“

Erscheint die taz bald werktags nicht mehr auf Papier? Geschäftsführer Kalle Ruch sagt, wie das geht. Und warum es wohl nicht anders geht

Kalle Ruch wurde 1954 in Salzgitter geboren. 1978 war er Mitgründer der taz und ist bis heute ihr Geschäftsführer.

Interview Viktoria Morasch

taz am wochenende: Kalle, wie stellst du dir die Zukunft der taz vor?

Kalle Ruch: Ich glaube, dass es die tägliche gedruckte Zeitung in fünf Jahren nicht mehr geben wird. Die Abozahlen sinken. Wir können das ziemlich genau ausrechnen: Wenn wir im Jahr 2022 bei nur noch 22.000 Abos sind, lohnt sich das nicht mehr. Die Erlöse der Papierabos finanzieren dann nur noch ihre eigenen Druck- und Vertriebskosten, aber um die Journalisten zu bezahlen, reicht es nicht. Man kann dagegen viel machen, Preiserhöhungen oder weniger Seiten drucken. Oder beides. Aber das wollen wir nicht. Und es bringt auch auf Dauer nichts.

Was ist denn das strukturelle Problem mit der gedruckten Zeitung?

Das Drucken einer überregionalen Zeitung ist sehr aufwendig. Besonders schwierig ist aber der Vertrieb. Teilweise ist es kaum möglich, Zusteller zu finden. Mit denen müssen wir beispielsweise vereinbaren, dass sie drei taz-Exemplare für Nordfriesland mitnehmen. Das ist sehr teuer. Es bringt ja auch keiner mehr die Brötchen morgens, das rechnet sich einfach nicht mehr.

Wie soll es stattdessen gehen?

Wenn es die gedruckte Werktagsausgabe der taz nicht mehr gibt, fallen etwa 30.000 Abos weg und 15 Millionen Euro Umsatz. Es gibt aber weiterhin die taz am wochenende. Auch gedruckt. Es gibt ein Kombi-Abo, das heißt, man hat die Werktagsausgabe digital und die Wochenendausgabe auf Papier. Und es gibt online taz-zahl-ich, wo Leute freiwillig für taz-Inhalte bezahlen. In unserem Szenario gehen wir davon aus, dass wir 2022 20.000 Wochenendabonnenten haben, 20.000 Leute mit Kombi-Abo, 20.000 mit ePaper-Abo und 20.000, die sich bei taz zahl ich beteiligen. Dazu 4.000 am Kiosk verkaufte Ausgaben.

Wie realistisch ist das aber?

Wir brauchen 60.000 Abonnenten. Im Moment haben wir knapp 50.000. Das ist alles in der Dimension der taz, wie wir sie kennen. Keine unrealistischen Größen. Und das Abo wird ja auch billiger. Die Erlöse von taz zahl ich werden leicht zu erreichen sein, da sind wir jetzt schon bei 14.000 Menschen, die auf diesem Weg die taz unterstützen. Der gesamte Abo-Umsatz der taz reduziert sich von 21 Millionen auf 15 Millionen – wenn man aber berücksichtigt, dass auch die Kosten um 6,3 Millionen Euro fallen, weil wir dann nur noch einmal die Woche drucken, sieht man, dass der Ertrag sogar steigt. Das wäre das Ziel. Wir haben genügend Ressourcen für diese Transformation.

Was ist mit den Leserinnen und Lesern, die sehr am Papier hängen?

Die bleiben hoffentlich bei der Wochenendausgabe. Es bringt jedenfalls nichts, den Abonnenten einen Drucker zu schenken, damit sie sich die Ausgabe unter der Woche selbst ausdrucken. Ich mache seit einigen Jahren einen Selbstversuch, lese alle meine Zeitungen nur noch digital. Und merke, dass es funktioniert, dass ich kein Verlustgefühl habe. Und ich bin auch 64! Die Vorteile des Digitalen liegen auf der Hand.

Und, die wären?

Die Zeitung kommt zuverlässig an, die Produktion ist einfacher und schneller. Aber das Teilen ist anders. Wenn du eine Papierzeitung hast, liegt die auf dem Sofatisch oder in der WG-Küche und wird dann von jemand anderem zufällig gesehen. Bei digitalen Produkten liest du einen Artikel und schickst den weiter. Das sind alles Gewohnheitsfragen.