piwik no script img

IN LICHTENBERGMuschel mit Schal

Ich bestellte ein Saigon Export Bier

Es fing mit einem Rezept aus der iberischen Küche in einer Weinzeitschrift an, die Zubereitung eines „cochinillo asado“. Das Spanferkel wurde darin mit „Spannferkel“ übersetzt. Als ich einen Tag später zum ersten Mal zum Asia-Markt in Lichtenberg fuhr, wo Hunderte Händler, die meisten Vietnamesen, aber auch Pakistaner und Türken, Kleidung mit viel Glitzer und Glimmer, Plastikblumen, asiatisches Gemüse, vietnamesische Blutwürste und Schweinefüße verkaufen, stieß ich auf so viele Übersetzungsfehler, dass es eine wahre Freude war. Nachdem ich unglaublich süße pakistanische Mangos und zwei grüne Plastikfische als Rutschschutz für die Badewanne gekauft hatte, suchte ich eins der zahlreichen vietnamesischen Spezialitätenrestaurants auf dem großen Gelände auf.

Die Karte enthielt 419 Gerichte. Es gab kaum ein Tier, das nicht gekocht, gebraten oder gedünstet wurde: Schwein, Huhn, Rind, Schnecken, Aal, Pute, Kaninchen, Ziege, Frösche. Es fiel mir schwer, mich zu entscheiden, zumal auch gewagte Integrationsgaumenfreuden angeboten wurden wie Reisnudeln mit Eisbein und Bambus. Meine Wahl nahm auch deshalb einige Zeit in Anspruch, weil ich bei vielen Gerichten rätselte, wie etwa bei der „Gebratenen Venusmuschel mit Schal“. Der „Putten Feuertopf“ ließ mich kalt, weil ich Pute, mit einem oder zwei t geschrieben, nicht gern esse. Der Hit der Getränke war das „Weisse Bia“.

Ich bestellte ein Saigon Export Bier und Reisnudeln mit Schnecken. Die Suppe war schmackhaft und enthielt neben Koriander und Tofu etwa ein Dutzend sehr kleine Schnecken. Die Schnecken waren aber so verdammt hart, dass mich der Verdacht überkam, dass jemand Knorpel fälschlicherweise mit Schnecken übersetzt hatte. Als ich an einem anderen Spezialitätenrestaurant vorbeikam, entdeckte ich Reisbahnnudeln auf der Karte. BARBARA BOLLWAHN

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen