piwik no script img

heute in hamburg„Viele sind nicht aufgeklärt“

Foto: Miguel Ferraz

Torsten Maul, 57, ist Psychoanalytiker und veranstaltet regelmäßig den Psychoanalytischen Salon.

Interview: Naomi Bruhn

taz: Herr Maul, welche sozialen Medien nutzen Sie?

Torsten Maul: Ich schreibe E-Mails und SMS, klassische soziale Medien nutze ich nicht.

Warum nicht ?

Weil ich sie nicht brauche.

Ist es gefährlich, wenn jeder jederzeit erreichbar ist ?

Jeder kann selbst darüber entscheiden, ob er oder sie sich erreichbar macht. Man muss sich selber fragen, ob diese Dauerkommunikation eine Reduktion der Lebenszufriedenheit ist, weil zum Beispiel kein Raum für Kontemplation, Langeweile und neue Gedankengänge da ist, oder ob das Leben durch die Vielfalt an Kommunikationsmöglichkeiten leichter und reicher wird. Es gibt nun mal die äußere Bedingung, dass der Datenfluss, der uns umgibt, größer geworden ist, was erfordert, dass man entscheiden muss, wie viel man daran teilhaben will. Aber nur weil es Alkohol gibt, bin ich nicht direkt süchtig.

Beim Alkohol weiß ich, dass er nicht gut ist …

Alkohol gibt es auch schon lange und es hat Aufklärung stattgefunden. Was das Smartphone angeht, sind viele Menschen noch nicht aufgeklärt. Als die Digitalisierung aufkam, ist sie in einen kulturfreien Raum vorgestoßen – es gab keine Regeln. Zunehmend entwickelt die Gesellschaft ein Empfinden dafür, dass das nicht geht und fängt an, die digitale Welt zu regulieren, was man zum Beispiel an der neuen Datenschutzverordnung sieht. So entwickelt sich eine Kultur dafür.

Gespräch: Neue/soziale Medien: Sei eine 1 –oder du bist eine Null, Psychoanalytischer Salon, Alstertor 1, 20 Uhr

Doch wird oft gesagt, dass soziale Medien negative Auswirkungen auf die Psyche haben. Wie kann das sein, wenn Kommunikation doch grundsätzlich etwas Positives ist?

Ich glaube, dass solche Berichte zu kurz greifen. Nicht die sozialen Medien lösen Depressionen oder Ähnliches aus, sondern bestimmte innere Problematiken der Menschen können sich am Gebrauch der Medien zeigen. Depressionen sind eher als inneres Problem zu betrachten und die Nutzung sozialer Medien ist dann eine Erscheinung davon. Vielleicht geraten Menschen anhand der Kommunikationsangebote auch in Konflikte. Da wäre es auf jeden Fall besser, sich mit den inneren Problemen zu befassen, als auf die Medien zu schimpfen.

Wie viel digitaler Konsum ist gut?

Wenn ich mir vorstelle, dass jemand alleine in der Antarktis sitzt, darf der meinetwegen den ganzen Tag im Netz sein, aber einer, der in der Schule sitzt, sollte der natürlich aufpassen anstatt zu chatten. Normative Angaben kann ich da nicht machen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen