In Sachen Lehre schlecht beraten

Unternehmer sind pflichtvergessen, die Ausbildungspolitik ist gescheitert: Trotz sinkender Bewerberzahl gibt es laut Deutschem Gewerkschaftsbund auch in diesem Jahr für fast 15.000 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz

Ab Donnerstag wird fleißig gelernt. Dann beginnt das neue Ausbildungsjahr. Aber leider wird auch in diesem Jahr jeder dritte Jugendliche ohne Lehrstelle dastehen. Denn in Berlin bewerben sich 24.666 Lehrstellensuchende um 9.808 Ausbildungsstellen – so die Daten der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit von Ende Juli.

Längst erklärt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) den Ausbildungspakt der Bundesregierung für gescheitert. „Es muss mehr Druck auf die Wirtschaft ausgeübt werden“, fordert Bernd Rissmann, Vorsitzender des DGB Berlin-Brandenburg. Unternehmer stählen sich aus der Verantwortung. Noch im vergangenen Jahr standen den Bewerbern 1.434 Stellen mehr zur Verfügung, darunter 805 betriebliche Ausbildungsplätze.

Die Berliner Arbeitsagentur registriert zurzeit 9.243 erfolglose Stellensucher. Laut DGB stehen allerdings 15.000 Jugendliche ohne Lehrstelle da. Denn die Ausbildungsstatistik lasse all die Suchenden außen vor, die sich jährlich in berufsvorbereitende Maßnahmen, Weiterbildungen oder Auslandsaufenthalte flüchten, so die Gewerkschaft.

Bis Ende Juli verzeichnete die Bundesagentur noch rund 3.400 nicht vermittelte Ausbildungsstellen. Nach Angaben von Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit, würden diese aber bis Mitte September vergeben sein. Viele Jugendliche würden schließlich ihren Berufswunsch aufgeben und alternative Ausbildungswege einschlagen. An erster Stelle der „Hitliste Ausbildungsplatz“ rangiert immer noch die Ausbildung als Bürokaufmann/-frau. „Es gibt 460 Berufsbilder“, sagt der DGB-Mann Rissmann, „aber die Arbeitsagenturen bewerben in der individuellen Beratung nicht die ganze Palette.“ Insbesondere Ausbildungsangebote im IT- und Medienbereich würden kaum vorgestellt. Möller kontert: „Die Bundesagentur darf Jugendliche nicht beim Bau von Wolkenschlössern unterstützen“, in diesem Bereich sei die Aussicht auf Anstellung schließlich gleich null.

Für „völligen Quatsch“ hält Rissmann das Pauschalargument der Unternehmer, Jugendliche wegen fehlender Ausbildungsreife nicht mehr ausbilden zu können. Zwar gebe es bei manchen Schulabgängern Defizite in Deutsch und Mathe. Das disqualifiziere sie aber keineswegs für alle Ausbildungsberufe. „Außerdem hat Ausbildung mit Bildungsvermittlung zu tun“, meint der DGB-Vize, „man darf nicht erwarten, dass Azubis von vornherein perfekt sind.“

Die Berliner Arbeitsagentur verzeichnet in diesem Jahr ohnehin einen Rückgang um fast 3.500 Bewerber. Und das – laut DGB – bei einem zeitgleichem Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit von 20 Prozent. „Viele Jugendliche scheinen gar nicht bei der Berufsberatung anzukommen“, mutmaßt Rissmann. Die Arbeitsagentur findet dafür andere Erklärungen: „Die Jugendlichen machen sich immer häufiger allein übers Internet auf die Suche“, so Möller. Prinzipiell sei dies zu unterstützen, es berge aber auch ein Problem. „Die Teenager kommen erst Ende August zu uns, wenn ihre Suche erfolglos war.“ Das sei dann zu spät. Tania Greiner
Alexandra Müller