Merkt euch das, ihr Idioten

Wenn Journalisten dem serbischen Superminister Velimir Ilić kritische Fragen stellen, müssen sie mit Beschimpfungen wie „fette Missgeburt“ rechnen – und manchmal auch mit Fußtritten

Aus Belgrad ANDREJ IVANJI

„Ihr seid krank und reif für eine psychiatrische Anstalt. Ihr solltet euch kollektiv behandeln lassen. … Ihr seid die letzten Idioten in Serbien.“ Also spricht der serbische Minister für Kapitalinvestitionen, Velimir Ilić, über Journalisten des Belgrader Rundfunks B 92. Ilić’ Attacken auf Medien und Journalisten sind schon sprichwörtlich geworden und werden seit Jahren von der Regierung geduldet. Schon früher bezeichnete der 54-jährige B 92 als einen „verräterischen“ Sender, der „Serbenhasser“ beschäftigt, „antiserbische Sekten“ unterstützt und unter dem „Vorwand“ einer bürgerlichen Gesellschaft Serbien „zerstören“ will. Er warf der Rundfunkstation vor, vor lauter „serbenfeindlichen Elementen“ anständige Patrioten gar nicht zu Wort kommen zu lassen.

Doch nicht nur B 92 steht unter Ilić’ Beschuss. Einer Journalistin von TV Čačak drohte der Superminister, sie aus dem Sender „wegzufegen“; Einen Journalisten von TV Apolo verpasste er einen Fußtritt. Der Grund ist immer der gleiche: Die Journalisten stellen ihm unangenehme Fragen. „Ich bin ein Minister und kein Schweinehirt, merkt euch das, ihr Idioten!“, pflegt Ilić zu schreien. Die Tageszeitung Kurir nannte er schon mal ein „Stinkblatt“, die Journalisten „Dreck, Säue, Bande“, den Chefredakteur bezeichnete er als eine „fette, korrumpierte Missgeburt“.

Ilić’ jüngsten Wutausbruch löste eine Journalistin von B 92 aus, als sie ihn während einer Pressekonferenz fragte, ob er etwas mit der Aufhebung der Anklage gegen Marko Milošević, den Sprössling des ehemaligen serbischen Diktators Slobodan Milošević, zu tun habe. Mit solch aggressivem Benehmen würde „sie niemand heiraten wollen“, antwortete Ilić gereizt der verblüfften Frau. Und dann drohte der Medienberater des Macho-Ministers, Petar Lazović, auch noch, den Direktor von B 92 „umbringen“ zu wollen. Das kommt davon, wenn man in Serbien wissen möchte, wer Marko –und zuvor bereits Milošević’ Gattin Mira Marković – äußerst unangenehme Gerichtsverfahren erspart hat.

Marko wurde vorgeworfen, vor fünf Jahren ein Mitglied der oppositionellen Bürgerbewegung „Otpor“ (Widerstand) mit einer eingeschalteten Motorsäge bedroht und brutal verprügelt zu haben. Doch vor kurzem wurde die Anklage gegen ihn fallen gelassen – der Staatsanwalt in Požarevac, der Heimatstadt der Familie Milošević, soll „auf Anweisung aus Belgrad, im Interesse der Regierung und des Staates“ dazu gedrängt worden sein. Die Anweisung dazu kam dem Vernehmen nach von Minister Ilić.

B 92 behauptet nun, dass sich die Minderheitsregierung des nationalkonservativen Premiers Vojislav Koštunica mit der De-facto-Amnestie für den Sohn und die Ehefrau des wegen Kriegsverbrechen angeklagten serbischen Expräsidenten die parlamentarische Unterstützung der Milošević-Sozialisten erkauft hat. Tatsächlich ist Koštunicas schwache Regierung auf die Stimme eines jeden Abgeordneten angewiesen. Mutmaßliche Deals wie die Amnestie für die Milošević muss er deshalb dulden – genauso wie Ilić’ Beschimpfungen und Angriffe.

Dabei gab es auch Zeiten, in denen der ehemalige Bürgermeister der Provinzstadt Čačak mit seiner polternden Art durchaus punkten konnte. Unvergessen sein „historisches“ Verdienst, als er am 5. Oktober 2000 in einem Trainingsanzug und mit einem Schlagstock auf einem Bagger eine riesige Autokolonne aus Čačak anführte, alle Polizeibarrikaden durchbrach, sich den Massenprotesten in Belgrad anschloss und so zum Sturz des Regimes Milošević verhalf. „Ich habe Milošević besiegt“, prahlte Ilić, diese „Schlappschwänze aus Belgrad hätten es ohne mich nie geschafft.“ Unter dem vor zwei Jahren ermordeten Premier Zoran Djindjić durfte Ilić mitregieren, in Koštunicas Regierung ist er der „Superminister“, dem drei Ressorts unterstehen.

Gegen Ilić’ Benehmen protestierten in- und ausländische Journalistenverbände und Nichtregierungsorganisationen. Wenn Politiker auf diese Weise auf unangenehme Fragen reagieren, zeige das, wie brüchig die Pressefreiheit in Serbien sei, warnten Vertreter von Reporter ohne Grenzen: Wenn Ilić nicht sanktioniert werde, würde das zu weiteren Attacken auf Medien ermuntern. Doch Ilić wird auch diesmal ungeschoren davonkommen, denn alles andere würde vorgezogene Wahlen in Serbien bedeuten.