Mäßigen statt einheizen

REAKTIONEN Ein Krieg zwischen Syrien und der Türkei gilt von Washington bis Peking als Horrorszenario. Die Nato stellt sich zwar solidarisch aufseiten Ankaras, will aber nicht militärisch eingreifen

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

Über eines sind sich die Politiker in den Hauptstädten der Welt zwischen Washington bis Peking einig: Ein Krieg zwischen Syrien und der Türkei mit all seinen unkalkulierbaren Folgen für die gesamte Region des Nahen und Mittleren Ostens ist ein Horrorszenario. Erst recht, wenn die beiden benachbarten Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien mit hineingezogen würden. Die bisherigen internationalen Reaktionen auf die gegenseitigen Militärattacken entlang der syrisch-türkischen Grenze spiegeln diese Angst wider: Sie fordern Besonnenheit und Zurückhaltung.

Die Nato und die westliche Regierungen erklärten sich solidarisch mit ihrem zuerst angegriffenen Bündnispartner Türkei. Die Regierung in Russland vermied eine solche Positionierung, wies der syrischen Regierung aber die Hauptverantwortung für eine Deeskalation des Konfliktes zu. Ob sich der UNO-Sicherheitsrat, wie von Ankara verlangt, mit dem Konflikt befasst, war bis Redaktionsschluss noch offen.

Bereits am Mittwoch – noch vor den ersten türkischen Vergeltungsschlägen gegen syrisches Territorium – waren die 28 Botschafter der Nato in Brüssel auf Antrag der Türkei zu „Konsultationen“ entsprechend Artikel 4 des Nato-Vertrages zusammengekommen. Sie verurteilten den syrischen Granatbeschuss, der fünf türkische Todesopfer gefordert hatte, als „flagrante Verletzung internationalen Rechts“.

Weitere Konsultationen wurden vereinbart. Eine Ausrufung des Bündnisfalls nach Artikel 5 des Nato-Vertrages, der Beistandspflichten aller Mitglieder für einen angegriffenen Bündnispartner vorsieht, hat Ankara nicht beantragt. Ein derartiger Vorstoß hätte auch „keinerlei Unterstützung“ gefunden, sagte ein Nato-Botschafter der taz.

Bereits vor der Nato-Sitzung war aus Regierungskreisen der USA verlautet, eine Ausrufung des Bündnisfalles wäre – angesichts des geringen Ausmaßes der militärischen Übergriffe auf türkisches Territorium – nicht angemessen. Falls die Gewalt allerdings eskaliert, könnte sich die Einschätzung künftig ändern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte den Beschuss türkischen Gebiets am Donnerstag „aufs Schärfste“ und rief zugleich „alle Beteiligten zu großer Besonnenheit auf“. Ähnlich äußerten sich Außenminister Guido Westerwelle und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Der britische Außenminister William Hague sagte, die militärische Reaktion der Türkei sei verständlich. „Wir erklären unsere tiefe Solidarität mit der Türkei, aber wir wollen keine weitere Eskalation dieses Vorfalls.“

Russlands Außenminister Sergei Lawrow forderte Syrien auf, den Beschuss türkischen Territoriums vom Mittwoch offiziell als Versehen zu bezeichnen. Laut Lawrow hat die syrische Regierung gegenüber dem russischen Botschafter in Damaskus erklärt, dass es sich um ein „tragisches Versehen“ gehandelt habe, und zugesichert, so etwas werde nicht noch einmal passieren. „Wir denken, dass es von fundamentaler Bedeutung für Damaskus ist, dies auch offiziell zu erklären“, betonte der russische Außenminister.

Ob der UN-Sicherheitsrat sich mit dem Konflikt befassen wird, ist noch offen. Die Türkei hatte den Rat in einem Schreiben aufgefordert, die „nötigen Maßnahmen“ zu ergreifen, um „die syrische Aggression zu stoppen“ und um „sicherzustellen, dass Syrien die territoriale Souveränität des Landes respektiert“.

Dazu hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Regierung in Damaskus bereits vor Eingang des Schreibens aus Ankara aufgefordert. Zugleich rief auch der UN-Generalsekretär alle Seiten zur Mäßigung auf.