Mit Mami zur Messe

ORIENTIERUNG Zur „Parentum“ sind Eltern und Kinder gemeinsam eingeladen, um sich über Studium und Ausbildung zu informieren

Telekom und Siemens stellen duale Studiengänge vor. Auch Polizei und Bundeswehr suchen Nachwuchs

VON MORITZ KOHL

„Weiß er denn, was er will?“, fragt ein Mann mit roter Krawatte eine Mutter, die etwas verloren zwischen den vielen bunten Ständen steht. Ihre Hände spielen mit einer Broschüre, während sie sich umsieht. „Nein, gar nicht“, antwortet sie kopfschüttelnd. Der Mann nutzt die Chance und erklärt ausführlich, was ihr Sohn bei seinem IT-Unternehmen alles machen könnte.

So oder so ähnlich geht es wohl vielen hier auf der „Parentum“, Ende September in der Hamburger Handwerkskammer. Schließlich wird die Messe vom Veranstalter Institut für Talententwicklung (IFT) als „Elternabend für die Berufswahl“ bezeichnet. Das Institut bietet seit Jahren Berufswahl-Messen für Schüler an. Seit vorigem Jahr gibt es die „Parentum“, bei der die Eltern die Zielgruppe sind. Diese hätten „ein großes Interesse daran, über die Möglichkeiten ihrer Kinder informiert zu werden“, sagt IFT-Mitarbeiterin Kathrin Kunterding. Schüler seien aber ebenso erwünscht.

Tatsächlich sieht man in den gut gefüllten Sälen der Handwerkskammer ungefähr genauso viele Jugendliche wie erwachsene Besucher. Die Aussteller sind Unternehmen, die über ihr Angebot informieren. „Wir wollen ein möglichst breites Spektrum an Ausbildungsplätzen und Studiengängen präsentieren“, sagt Kunterding. „Es soll sich möglichst wenig doppeln.“

Sieht man von den fünf Banken ab, ist das auch ziemlich gut gelungen: Zwei gut besuchte Stände bieten Auslandsaufenthalte aller Art an, private Akademien machen Eigenwerbung und Unternehmen wie die Telekom oder Siemens stellen ihre dualen Studiengänge vor. Auch Bundeswehr und Polizei werben um Nachwuchs.

Am Stand des Elektrogeräte-Herstellers Olympus hat Marc Naumann gerade einem Jugendlichen erklärt, was ihn bei einem dualen Studium zum Wirtschaftsingenieur erwartet. „Es wird für Unternehmen schwieriger, an Leute heranzubekommen“, sagt Naumann. Viele seien einfach schlecht informiert. Seine Kollegin Judith Hansen stimmt ihm zu: „Berufe, die uns in den Medien begegnen, sind oft fancy Jobs wie Modedesigner. Die Realität bildet das nur zu einem kleinen Teil ab.“ Und auch Eltern und Schulen wüssten fast nichts mehr über Berufsbildung.

Probleme mit dem Unwissen potenzieller Bewerber habe auch das Handwerk, erklärt Cigdem Gül am Stand der Handwerkskammer. „In den letzten 20 Jahren hat sich bei uns sehr viel getan“, sagt sie. Die Eltern gäben oft ein veraltetes Bild von Handwerksberufen weiter. Und sie hätten eine große, bislang unterschätzte Mitsprache bei der Berufswahl. Hier setzt die „Parentum“ an. Kunterding: „Sie soll den Eltern helfen, ihren Kindern neue Türen zu öffnen.“

Buchautor und Erziehungsexperte Jan-Uwe Rogge hält dieses Prinzip von Bildungsmessen für hilfreich. „Wenn sie nicht vordergründig auf Verkauf zielen, sondern beraten und Wege aufzeigen, auf die man selber vielleicht nicht kommt.“

Christiane Quast und ihr Mann sind hier, um solche Wege für ihren Sohn zu suchen. „Er interessiert sich für Naturwissenschaften und wir wollen schauen, was es da überhaupt für Berufe gibt“, sagt sie. Danach wollten sie sich mit dem Sohn zusammensetzen und im Internet weitersuchen. Auch Susanne Matthies, die mit ihrer 17-jährigen Tochter hier ist, will sich über die Möglichkeiten informieren. „Meine Tochter soll eine große Auswahl haben“, sagt sie. „Ich will ihr einen Anstoß geben, ohne mich zu sehr einzumischen.“

Solange es bei einem solchen Anstoß bleibt, wäre wohl auch Rogge einverstanden. „Konstruktiv sind Eltern dann, wenn sie die Heranwachsenden begleiten und für Gespräche offen sind“, sagt er. Schädlich seien hingehen Ungeduld und festgelegte Vorstellungen vom Berufsweg der Kinder. Der sei heutzutage von mehr Brüchen geprägt als früher. „Heute ist eine Berufswahl nicht mehr unbedingt eine Entscheidung fürs Leben“, so Rogge.

Auch die 16-jährige Katja Gliesmann sucht zunächst eine Orientierung für ein Praktikum. „Ich habe hier sehr viel von den Firmen mitbekommen“, sagt sie. „Klar habe ich vorher auch meine Eltern um Rat gefragt.“