Ausgehen und Rumstehen Von Marlene Militz
: Tschüs Mallorca,hallo Frohnau

Es ist ein deprimierendes und gleichzeitig surreales Gefühl, aus dem südlichen Sommerurlaub wieder in Berlin anzukommen. Als das Flugzeug die dicke Wolkendecke durchbricht, realisiere ich schlagartig, dass nicht nur mein Urlaub, sondern auch der Sommer vorbei ist. Das ist der deprimierende Moment. Ich schließe die Augen und versuche mir zu vergegenwärtigen, dass ich heute Morgen noch in einem weißen Bett in einem rosa Haus auf einem felsigen Berg aufgewacht bin, von Pinien und Palmen bewacht und von Wellen umspült. Und jetzt, da ich in einem Flugzeug sitze und auf Tegel zurase, kommt mir die morgendliche Erinnerung vor wie ein surrealer Traum.

Dabei dämmerte mir schon am Flughafen von Palma, dass die geruhsame Urlaubszeit auf der wirklich schönen Seite Mallorcas (wie viele nicht müde werden zu betonen) nun langsam vorbei ist. Denn hier begegnen sich die Reisenden, die ihren Urlaub auf „der wirklich schönen Seite der Insel“ verbringen und die, die ihn woanders verbringen. Man kann die beiden Gruppen recht schnell voneinander unterscheiden.

Am Gate beobachte ich zwei frischgebackene Abiturienten (so meine Vermutung), die sich mit neongelben Tanktops („Bierkönig“) und Strohhut auf den ewig langen Laufbändern fahren lassen, sichtlich erleichtert, nicht selbst gehen zu müssen. Später versucht es dann doch einer der beiden und torkelt zum Getränkeautomaten. Mit tief gesenktem Kopf schaut er in sein Portemonnaie, zuckt bedauernd die Schultern und schlurft unverrichteter Dinge zu seinem Freund zurück, der sich inzwischen auf einer Sitzreihe ausgestreckt hat. Ich checke die Wetter-App. 19 Grad, Nieselregen.

Berlin gibt sich keine Mühe, mich zu empfangen. Es regnet immer noch leicht, und ich warte über 40 Minuten lang auf meinen Koffer. Die beiden neongelben Freunde laufen an mir vorbei. „Mir geht’s irgendwie nicht so gut“, kann ich eine matte Stimme hören. Mir irgendwie auch nicht, denke ich. Es ist zwar Samstagabend, aber meine Stimmung ist getrübt, und so esse ich auf dem Nachhauseweg nur noch einen Dürüm an der Turmstraße, was meine Laune wieder etwas hebt. Der Verkäufer tröstet mich: die nächste Woche solle doch wieder einigermaßen sonnig werden.

Am Sonntagmorgen frage ich mich, wie man so schnell wie möglich mit Kopf und Seele wieder in Berlin ankommt. Die Antwort liefert mein Freund: ein Fußballspiel in der Berlin-Liga. Bei grauem Himmel geht es also zur Partie des Froh­nauer SC gegen Eintracht Mahlsdorf. Ich zahle mit Studentenrabatt 4 Euro Eintritt. Mit Blick ins Portemonnaie rechne ich nach, ob es noch für eine Bratwurst reicht. Prompt muss ich wieder an meinen neongelben Freund denken und frage mich, ob er wohl auch hier ist.

Der Anpfiff vertreibt augenblicklich meine Urlaubsgedanken. Unser Nachbar, der sich zwei Meter weiter ans Geländer lehnt, versucht von den Rängen aus mit dem Schiedsrichter ins Gespräch zu kommen. Ob er denn nicht auch fände, dass dieses Foul eine Gelbe Karte nach sich ziehen sollte? Die Frage bleibt unbeantwortet.

Nach zwanzig Minuten kommt der Krankenwagen. Der schmächtige Linksaußen wurde in die Mangel genommen. Als sich alle Spieler nach dem Halbzeitpfiff vom Platz bewegen, bedenkt unser Nachbar den Schiedsrichter mit dem gut gemeinten Rat, seine Leistung sei ja prinzipiell nicht schlecht gewesen, Junge, aber eine Gelbe mehr hätte es schon geben müssen. „Wir kennen uns schon lange!“, setzt er warnend hinzu. Spätestens beim Anpfiff der zweiten Halbzeit nach einer Bratwurst mit Senf bin ich wieder komplett angekommen. Mit Kopf und Seele.