Nett war‘s beim Richter

In Osnabrück besetzt eine Gruppe Unbeugsamer seit Jahren Häuser, um dort ein Autonomes Zentrum zu etablieren. Gestern standen nun drei der Hausbesetzer vor Gericht. Der Prozess endete glimpflich

von Jennifer Neufend

“Jetzt ist aber gut, mehr passen hier nicht rein“, empört sich Richter Peters. „Ist die Verhandlung öffentlich oder nicht?“, ruft jemand in den Raum. „Öffentlich, aber wir sind hier nicht am Landgericht, hier ist nicht genügend Platz!“ Längst sitzen schon Interessierte und Mitglieder der “Autonomes Zentrum (AZ)-Gruppe Osnabrück“ auf dem Fußboden. Die wenigen Stühle besetzen sie zu zweit. Immer mehr strömen hinein. „Der Richtertisch muss aber frei bleiben“, fordert Peters, als sich ZuschauerInnen neben ihn stellen wollen. In dem ungefähr 30 Quadratmeter großen Verhandlungsraum des Amtsgerichts Osnabrück haben um neun Uhr über 50 Zuschauer ihren Platz gefunden. Hinten flüstert jemand: „Der Richter ist ganz schön angepisst.“

Langsam wird es ruhig. Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung durch eine Hausbesetzung wirft der Staatsanwalt zwei Studenten und einem Schüler vor. „Sie haben plakativ, was wohl heißen soll: auf Plakaten, ein autonomes Zentrum gefordert.“ Diese Forderung ist, auch in Osnabrück, nicht neu. Seit 2001 hat die „AZ-Gruppe Osnabrück“ vier leer stehende Häuser besetzt. Zuletzt im Januar dieses Jahres ein Gebäude auf dem ehemaligen Güterbahnhof in Osnabrück. In einem der vielen ungenutzten Häuser, so die Gruppe, soll ein Zentrum für unkommerzielle Kultur und politisches Handeln errichtet werden. Einer der Hausbesetzer liest in einer gemeinsamen Prozesserklärung deren Motive und Ansichten vor.

Richter und Staatsanwalt hören interessiert zu. „Die wenigen Chancen, die wir hatten, zu zeigen, dass ein Leben in Selbstverwaltung ohne laufende Kosten für die Stadt funktioniert, sind am Ende alle durch Druck in Form von Besetzungen entstanden.“ Nach der vierseitigen Erklärung beginnen die AZ-Grüppler zu klatschen, eher verhalten. Sie suchen nicht den Konflikt mit der Justiz. Ihren Gegenspieler sieht die AZ-Initiative vor allem in der stärksten Fraktion im Stadtrat, der CDU, die das Autonome Zentrum verhindern will.

„Das Ziel mag ja verständlich sein“, gesteht der Richter ein, „aber der Weg ist falsch!“ Der Staat habe, wenn der Eigentümer mit der Besetzung nicht einverstanden sei, die Pflicht, einzugreifen. „Als die Polizei kam, sind die drei doch sofort gegangen“, nimmt der Verteidiger Meggers die Angeklagten in Schutz. „Gegangen?“, fragt der Richter wohl wissend. „Durchs Fenster gegangen“, gibt der Anwalt zu. Alle lachen, und auch der Staatsanwalt kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Was als politischer Prozess angekündigt war, endet humorvoll entspannt. Angeklagte, Verteidiger, Richter und Staatsanwalt einigen sich nach einem amüsanten Wortwechsel auf die vorläufige Einstellung des Verfahrens mit einer Auflage: 50 Stunden gemeinnützige Arbeit sind zu leisten oder 250 Euro zu zahlen. „Das nächste Mal gibt es aber keine Einstellung“, gibt der Richter den Dreien mit auf den Weg. Zum Ende der Verhandlung geht durch den kleinen Raum ein Stöhnen. „Jetzt wissen Sie, wie das ist, wenn hier 50 Leute drin sind“, sagt der Richter. „Ja, aber war doch schön!“, kontert eine junge Frau.

„Einem autonomen Zentrum sind wir nicht näher gekommen“, gibt einer der drei Hausbesetzer nachher zu, „aber wenigstens ist unsere Tat keine Straftat und wir müssen nicht über 600 Euro zahlen.“ Jetzt hoffe die Gruppe, dass es den Angeklagten einer weiteren Hausbesetzung ähnlich ergehen werde.