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Kito Nedoschaut sich in Berlins Galerien um

Es gibt eine Stadt, die man aus seinem Alltag möglichst raushält: Touristen-Berlin. Was soll man schon an öden Orten wie der Mall of Berlin oder dem Boulevard Unter den Linden erleben? Die kollektiv produzierte (Stuart Middleton, Richard Sides und Angharad Williams mit 3 fragments, Iris Bauer und Theo Burt) Raum-, Sound- und Videoinstallation „Bug out“ in der Projekt­raumgalerie Schiefe Zähne geht den entgegengesetzten Weg und zeichnet im Zeitraffer den touristischen Parcours durch Mitte auf. Gelungen ist auch der thematisch-psychodelische Rautenmuster-Teppich, gefertigt aus weggeworfenen Bodenbelägen, welche die Künstler neulich aus einem Container hinter dem Martin-Gropius-Bau gefischt haben (bis 5. 9., nur nach Voranmeldung: info@schiefe-zaehne.com, Schliemannstr. 37).

Neugierig geworden, bin ich auch zur Einzelschau von Angharad Williams im Projektraum Liszt gefahren. Die Ausstellung mit dem Titel „Scarecrows“ (Vogelscheuche) findet im beige gekachelten Verkaufsraum einer alten DDR-Fleischerei statt. Williams hat Stacheldraht gezogen und präsentiert vier kleine Gebilde aus weißen Hartschaumplatten, die wie Architekturmodelle aussehen, aber Nachbauten englischer Deko-Kamine sind. Das bürgerliche Dilemma wird plastisch (bis 7. 9., nur nach Voranmeldung: mail@lisztliszt.de, Gustav-Adolf-Str. 13).

Womöglich würde die Kunst von Williams auch gut im Ministerbereich von Heiko Maas im Außenministerium funktionieren. Dort haben die Galeristen und Sammler*innen Jürg Judin, Julia Stoschek, Katharina Raab, Marcus Deschler, Kristian Jarmuschek gemeinschaftlich eine temporäre Kunstausstellung kuratiert, die während des Tags der offenen Tür im AA öffentlich zu sehen ist (25. + 26. 8., jeweils 10–18 Uhr Werderscher Markt 1).

Der Titel der Gruppenausstellung „A Strong Desire“ bei PS120, kuratiert von Justin Polera and Aleksandr Blanar, bietet vielfältige Lesarten. Im Kern geht es um Körperpolitiken und Prozesse der Kommerzialisierung (Kommodifizierung) von Beziehungen und sexueller Identität im Kapitalismus. Und es ist erstaunlich, wie überraschend stark die Kunst auch in solch einem trockenen theoretischen Rahmen erscheint, ihn mit ihrer ästhetischen Kraft sprengt. Gezeigt werden unter anderem Werke von Monica Bonvicini, Kenneth Anger, Anna Uddenberg oder Kerstin Drechsel. Von Letzterer sind es die tollen pastellfarbigen Gemälde aus der Serie „If you close the door“ (2008–2010), die unaufgeregt-beiläufig intime Szenen aus einer lesbischen Clubszene festhalten (bis 26. 8., Do.–Sa. ­11–18 Uhr, Potsdamer Str. 120).

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