Neue Brandkatastrophe in Paris

Wieder ist ein von Afrikanern bewohntes Haus in Paris abgebrannt. Wieder starben Menschen, diesmal sieben. Wieder war es ein baufälliges Haus, das längst hätte saniert werden müssen. Kritik an den Behörden paart sich mit Vorwürfen des Rassismus

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Zufall? Verbrechen? Das war gestern Nachmittag offen. Gewiss ist hingegen, dass in der Vornacht schon wieder mindestens sieben AfrikanerInnen bei einem Hausbrand in Paris ums Leben gekommen sind. Unter den Opfern sind eine hochschwangere Frau und ihr achtjähriger Sohn. Die Frau hatte erst ihr Kind aus einem Fenster des lichterloh brennenden vierten Stocks geworfen, bevor sie selbst hinterher sprang.

Nur vier Tage nach dem Feuer im 13. Arrondissement, bei dem 17 AfrikanerInnen umkamen, brannte am Montagabend ein sechsstöckiges Haus in dem Renaissancequartier Marais aus. Überlebende und NachbarInnen haben einen Knall gehört, bevor die Flammen in Windeseile hochschossen. Ausgangspunkt des Feuers an der rue du Roi Doré soll das Treppenhaus im ersten Stock gewesen sein.

Das Haus war seit den 90er-Jahren von EinwanderInnen aus Elfenbeinküste besetzt. Die zwölf Familien – mehr als 40 Personen – holten ihr Wasser in Eimern aus einer Pumpe an der Straße. Die elektrischen Leitungen befanden sich in katastrophalem Zustand. NachbarInnen hatten mehrfach Petitionen an das Rathaus gerichtet, damit es Ersatzwohnungen für die betroffenen Familien suche. Die BewohnerInnen selbst waren sich ihrer Risiken bewusst. „Nach dem Brand im 13. Arrondissement hatten wir Angst, dass in unserem Haus auch so etwas passieren könnte“, sagt Bambaya Coumba, einer der Überlebenden. Kurz vor dem Feuer im eigenen Haus hatte er darüber mit einem Nachbarn gesprochen.

Vor acht Monaten hatte der Bürgermeister des 3. Pariser Arrondissements, Pierre Aidenbaum, das baufällige Haus an der rue du Roi Doré mit staatlichen Geldern gekauft. Nachdem die vorherigen EigentümerInnen sich geweigert hatten, das Haus instand zu setzen, wollte die Stadt Paris die Bauarbeiten erledigen. Die Firmen waren bereits beauftragt. Bloß Ersatzwohnungen für die BewohnerInnen gab es noch nicht. „Dafür müssen sie erst Aufenthaltspapiere haben“, erklärte Bürgermeister Aidenbaum gestern am Brandort.

Der PS-Politiker kannte die Hausbewohner persönlich. Im Juni hat er ihre Anträge auf Aufenthaltsgenehmigungen zum Pariser Präfekten getragen. Im September erwartete er die ersten positiven Antworten. „Es gibt kein Problem mit den Leuten“, erklärt Aidenbaum, „sie arbeiten, sie zahlen Steuern und sie bezahlen ihren Strom.“

Die überlebenden HausbewohnerInnen sind in der Brandnacht in ein benachbartes Hotel einquartiert worden. „Das Hotel existiert so lange, wie wir das Haus besetzen. Alle wussten, dass das Haus gefährlich ist. Warum mussten erst Menschen sterben, bis es Plätze für uns im Hotel gab?“, fragt weinend eine junge Frau im afrikanischen Boubou-Kleid. Am Brandabend kurz nach zehn Uhr war Tata mit einem wassergefüllten Eimer zum Haus gekommen. Sie sah, wie ihr Mann aus dem Fenster sprang und wieder ins Haus rannte, um die vierjährige Tochter zu holen. Die kleine Familie hat überlebt. Gestern überlegten Tata und ihr Mann, ob sie statt in dem Hotel nicht besser auf der Straße übernachten sollte. Aus Protest: „damit die Behörden uns nicht in dem Hotel vergessen“.

Die Franzosen sind „Mörder“ schreit eine schwangere Frau aus der Elfenbeinküste vor der Ruine, „Rassisten. Es ist kein Zufall, dass alle Opfer Afrikaner sind.“ Sie ist die Schwägerin jener Frau, die aus dem vierten Stock gesprungen ist. Sie selbst wohnt in einem anderen, ebenfalls gefährlichen Haus. „Denken Sie an mich, wenn es wieder brennt“, sagt sie. Sie glaubt, dass es sich um Brandstiftung handelt.

Am Morgen nach der Brandnacht ist auch der Botschafter der Elfenbeinküste vor Ort. Er ist „schockiert und angewidert“, sagt er. Und er informiert seinen Staatspräsidenten in Abidjan persönlich über die Ereignisse in Paris. Der Botschafter weiß von „zahlreichen“ Gebäuden in Paris, in denen seine Landsleute ebenfalls in gefährlichen Verhältnissen wohnen. Zahlen will er nicht nennen. „Das ist Sache der französischen Behörden“, sagt Hyacinte Kouassi. Von der französischen Regierung wünscht der Botschafter sich „anständigen Wohnraum“ für seine Landsleute. Und Aufenthaltspapiere.

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