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Konkrete Vorgaben für KrankenhäuserSpahn will Pfleger*innen-Untergrenze

Wird von einer Klinik eine bestimmte Mitarbeiter*innen- Zahl unterschritten, drohen ihr Hnorarkürzungen. Kritik am Gesundheitsminister kommt von der Linkspartei.

in Deutschlands Kliniken herrscht Mangel an Menschen, die zum Beispiel Spritzen setzen können Foto: imago/Westend61

Berlin afp | Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will den Kliniken in Deutschland einem Zeitungsbericht zufolge per Gesetz konkrete Vorgaben für die Zahl ihrer Pflegekräfte machen. Das gehe aus dem überarbeiteten Entwurf für das sogenannte Pflegepersonal-Stärkungsgesetz hervor, berichtete die Berliner Zeitung am Samstag. Linken-Chef Bernd Riexinger forderte eine bedarfsgerechte Personalausstattung der Kliniken statt einer „Minimallösung“ und kritisierte Spahns Fokus auf die Arbeitgeberseite.

Dem Bericht zufolge soll ab dem Jahr 2020 für jedes Krankenhaus das Verhältnis zwischen der Zahl der Pflegekräfte und dem anfallenden Pflegeaufwand errechnet und veröffentlicht werden. Wenn dabei von einem Krankenhaus eine bestimmte Grenze unterschritten werde, gebe es als Sanktion Honorarkürzungen. Gesundheits-Staatssekretär Lutz Stroppe sagte der Zeitung, damit werde ein „handhabbares, transparentes und schnell wirksames Instrument“ geschaffen, um in den Krankenhäusern eine gute Pflege und die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten.

„Hat ein Krankenhaus einen hohen Pflegeaufwand bei einer verhältnismäßig geringen Pflegepersonalausstattung, gilt dies als Indikator dafür, dass eine qualitativ hochwertige Pflege nicht gewährleistet ist und damit eine patientengefährdende Versorgung der Pflege in Kauf genommen wird“, zitiert die Berliner Zeitung aus dem Gesetzentwurf. Der Text soll am kommenden Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen werden.

Parallel dazu wolle Spahns Ministerium die Krankenhausgesellschaft und den Kassen-Spitzenverband dazu zwingen, ihre abgebrochenen Verhandlungen über schichtgenaue Personaluntergrenzen in pflegeintensiven Abteilungen wieder aufzunehmen, heißt es in dem Bericht. Sollte es weiterhin keine Einigung geben, drohe das Ministerium mit einer Entmachtung der Verbände durch eine gesetzliche Regelung der strittigen Punkte.

Riexinger: „arbeitgeberfreundliches unterstes Minimum“

Der Münchner Merkur berichtete in seiner Wochenendausgabe unterdessen, Spahn wolle per Gesetz den Krankenhäusern für die Notfallversorgung zusätzliche Mittel zukommen lassen. Das Geld solle im Rahmen der Neuausrichtung der Notfallversorgung in Zuschläge fließen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Auszüge aus dem Gesetzentwurf.

Um die neuen Zuschläge zu finanzieren, mussten demnach bislang vor allem die Kliniken, die die Voraussetzungen für die Notfallversorgung nicht erfüllen, größere Belastungen durch höhere Abschläge fürchten. Spahn habe sich nun aber für einen anderen Weg entschieden.

„Wir wollen, dass Krankenhäuser mit guter Qualität einen Zuschlag bekommen“, sagte der Minister dem Münchner Merkur. „Aber wir wollen nicht, dass es dabei durch Umverteilung zu Verwerfungen zwischen den Krankenhäusern kommt.“ Daher werde „in einigen Bundesländern auch zusätzliches Geld ins System fließen müssen“.

Riexinger beklagte, dass sich Spahn an dem „arbeitgeberfreundlichen untersten Minimum“ orientiere, stattdessen müsse die Personalausstattung in Krankenhäusern aber „am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet sein“. Die Linke fordere deshalb eine „schnelle Einführung einer gesetzlichen Personalbemessung im Krankenhaus und einen verbindlichen Personalschlüssel in der Altenpflege“. Krankenhäuser müssten zudem verpflichtet werden, zehn Prozent mehr Ausbildungsplätze anzubieten, erklärte der Parteichef.

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14 Kommentare

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  • Pflege MUSS ein Teil der staatlichen Daseinsfürsorge sein|werden.



    Anders geht es nicht – siehe Zahlen von Norwegen im Kommentar von Stefan Mustermann, Sonntag, 02:18 Uhr.

    Es müssen aber nicht nur mehr Pflegekräfte für weniger Menschen zuständig sein. Diese Pflegekräfte müssen auch deutlich mehr verdienen, damit sei ein LEBEN führen können.

    • @Frau Kirschgrün:

      Staatliche Daseinsfürsorge ist genau das Gegenteil eines neoliberalen Konzepts, das -wie wir überall sehen können- seinen Siegeszug hält in Form von Privatisierung von Krankenhäusern und Pflegeheimen. Und da gilt das Prinzip der Gewinnmaximierung. Wenn diese privaten Investoren staatliche Zuschüsse erhalten, dann explodieren die Preise weiter. In manchen Kommunen kassieren z.B. die Vermieter von Asylantenunterkünften bis zu 55€ pro qm, weil hier oft ungeprüft Zuschüsse erfolgen (heute gelesen im Kölner StadtAnzeiger).

      • @Rolf B.:

        "Staatliche Daseinsfürsorge ist genau das Gegenteil eines neoliberalen Konzepts…" Eben.

        Deswegen soll es ja wieder staatliche Daseinsfürsorge-Pflicht sein! Das lässt sich mit guten Leuten bei guter Bezahlung alles organisieren und umsetzen.



        Allein der Wille fehlt, weil die Reichen sich nichts von dem nehmen lassen wollen, das sie sich leistungslos in die Taschen gestopft und dem Gemeinwesen vorenthalten haben.

        Dass 55€ pro qm gezahlt werden ist leicht abzustellen, da regiert m. E. Vetterles-Wirtschaft, wenn so etwas "möglich" ist. Geht gar nicht.

        Wieso stellen wir derart geringe Forderungen an die Politik und ergeben uns in das angeblich Unvermeidliche?! Mir ein Rätsel.

        Neoliberalismus ist doch nicht "Gott"gegeben… das ist menschengemacht und btw der größte Bullshit, den diese Erde gesehen hat. Das ist doch offensichtlich!



        Was wird da immer so getan, als ließe sich nichts daran ändern?! Ist doch lächerlich…

        Überprüfen Sie mal, wie viel Vermögen die reichsten ein Prozent besitzen, dann wird schnell klar, dass das Geld da ist – es "gehört" nur den falschen Leuten und wir lassen das zu!

  • Das verbessert die Situation der Pfleger*innen in keiner Weise.



    Sie ertrinken weiter in Arbeit, haben meist nur Halbtagsjobs – sprich, "müssen" quasi Teilzeit arbeiten – und können sich keinen vernünftigen Urlaub leisten.



    Vom Aufbau einer normalen Rente ganz zu schweigen – sie sind dann die nächsten Grundsicherungsanwärter*innen.



    Den neu angedachten Schlüssel für eine "Untergrenze" halte ich für reine Augenwischerei und lässt sich mit Sicherheit von den Krankenhäusern, Altenheimen und Pflegediensten locker umgehen, um die Gewinnmaximierung weiterhin nicht zu schmälern – immer noch auf dem Rücken des Pflegepersonals.



    Was für ein Witz.



    Die Pfleger*innen brauchen MEHR Geld für ein LEBEN (nicht nur zur Existenzsicherung), MEHR Achtung für ihre Tätigkeit und MEHR Respekt als Mensch.

    Das lässt sich mit weltfremden Technokraten auf der Entscheidungsebene über Zahlenspielchen ganz sicher nicht erreichen.



    Armselig.

  • "Die "Wir-tun-so-als-ob Politik" geht weiter."

    Die, wie Sie es zutreffend beschreiben, "Wir-tun-so-als-ob Politik" ist fester Bestandteil der TalkShows in DE. Alle kennen die Probleme, nur Politiker nicht, wenn sie an der Macht sind. Ärzte/Ärztinnen in den Krankenhäusen sitzen oft stundenlang am Computer, um ihre Arbeit zu dokumentieren, Lehrer/Lehrerinnen schlagen sich wöchentlich mit neuen Vorgaben aus der Kultusbürokratie herum. Und das alles nach dem Motto: Mehr Arbeit, wenig(er) Personal.



    Was Spahn betrifft, dem ich nix abgewinnen kann, so muss man allerdings sagen, dass er -wenn auch beschränkt- überhaupt etwas tut. Da hat sich ja eigentlich im Bereich der Gesundheits- und Pflegepolitik seit Jahrzehnten nichts mehr getan.

  • Wenn es eine Untergrenze gibt, wird jeder Betreiber der evtl. darüber liegt sich eingeladen fühlen sein Personal auf genau diese Untergrenze zu reduzieren.

  • Ein Thema mehr in der Sammlung. Eltern haben das Recht auf einen Kindergartenplatz, jeder Schüler hat das Recht auf gleiche Bildungschancen, wir führen den Mindestlohn ein, die Mieten werden begrenzt. Applaus, Applaus!



    Aber dann kommt der böse nächste Tag. Wir haben nicht genügend Kindergärten und keine Erzieher, wir haben schlecht ausgebildete oder gar keine Lehrer, kaum einer hat real mehr Verdienst als vorher, die Mieten steigen schneller als jemals zuvor. Es wird Quoten für Pflegepersonal geben, aber ein Pfegepersonal u.s.w., u.s.w. Die "Wir-tun-so-als-ob Politik" geht weiter.

  • Warum haben wir Pflegenotstand, Ärztemangel, viel höhere Ausgaben im Gesundheitswesen (trotz der Reformen!), zahlreiche Skandale und Todesfälle in Bezug auf Keime (durch Sparen am Patienten) und falsche Behandlung (z.B. gar nicht erforderliche Operation), Manipulationen mit Fallzahlen und Fallpauschalen (Schaden in Milliarden für Beitragszahler)?

    Bis 1993 (Gesundheitsreform von Herrn Seehofer) konnten Krankenhäuser in Deutschland weitgehend sorglos ihre Arbeit machen (In Anlehnung z.B. an Stern, 26.2.2015 auch im Folgenden). Für Investitionen bekamen sie Geld von den Bundesländern, für den laufenden Betrieb (übliche Kosten/Ausgaben) von den Krankenkassen, Verluste wurden rückwirkend erstattet.

    Mehrere Reformen später… Sieht es so aus: Die Länder sind säumige Zahler, vielerorts bröckelt der Putz. Für die laufenden Einnahmen gild eine komplizierte und weltweit einmalige Pauschalpreis- Planwirtschaft, das „G-DRG-System“. Eingeführt wurde dieses System, um mehr Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern zu schaffen. Das war eine fatalere Entwicklung als Agenda 2010. Und im Sozialen sowie Gesundheitswesen ist Kapitalismus/Ökonomiesierung etc. ganz fehl am Platz. Mehr Wettbewerb kam, aber nicht um bessere Medizin. Es kam zu mehr „Kampf“ um mehr Fälle (Fallzahlen, DRG…), kürzere Liegezeiten von Patienten, viel weniger Pflegepersonal, Ärztemangel vielerorts, immer billigere Arbeitskräfte (u.a. im Bereich Hygiene => s. Todesfälle p.a. durch Keime), zahlreiche Skandale…

    Einige Reformen wollten Gesundheitsausgaben reduzieren. Ganz daneben gegangen! Z.B. in 2004, zu Beginn einer Reform, gaben die Kassen 47,2 Mrd. € für Krankenhausbehandlungen aus (unsere Beiträge!), 2013 waren es schon über 64, 8 Milliarden! Das ist eine Steigerung von über 35%, und das liegt weit über dem Anstieg von Lebenshaltungskosten im gleichen Zeitraum!

  • „Dem Bericht zufolge soll ab dem Jahr 2020 für jedes Krankenhaus das Verhältnis zwischen der Zahl der Pflegekräfte und dem anfallenden Pflegeaufwand errechnet und veröffentlicht werden.“



    Das ist auch ab 2019 ohne Umstände möglich. Die meisten Krankenhäuser veröffentlichen ja in Quartals- und Jahresberichten die jeweilige Anzahl von Patienten, Betten, Mitarbeitern im Berichtszeitraum.

  • Sehr wichtig ist auch die Qualität der Versorgung durch höhere Qualität!

    Der Pflegeberuf muss zwangsläufig attraktiver gemacht werden. Momentan gibt es sehr viele Teilzeitarbeitsstellen, wo Arbeitnehmer zu wenig verdienen, um sich selbst und Familie versorgen zu können. Menschen arbeiten am Menschen - nicht am Auto wie Automobilmechaniker und Mechatroniker, aber verdienen viel weniger. Außerdem sind die Arbeitsbedingungen sehr schlecht (Arbeitszeit, Überstunden ...). Zudem befinden sich akademische Studiengänge als Pflegekraft momentan erst in den Anfängen und sind eine Seltenheit.

  • Pfleger*innen-Untergrenze wäre eine gute quantitative Teillösung des Pflegenotstandes in Deutschland.

    11% Stellenabbau bei den Pflegepersonen gab es in dem Zeitraum von 1993 bis 2003. Ein Grund für den Personalabbau im Pflegebereich ist im Aussetzen der PPR(Pflege-Personalregelung) zu sehen. Die DRG-Einführung hat den Trend der Personalreduktion im Pflegebereich weiterbeschleunigt.

    www.pro-pflege.eu/...ieteck_Handout.pdf

    Deutschlands Krankenhauslobby wehrt sich gegen die Einführung eines Personalschlüssels für Pflegekräfte. Der Grund: Die Krankenhäuser bauen seit Jahren Pflegepersonal ab und steigern so ihre Gewinne - auf Kosten der Patienten. Krankenhäuser sind längst nicht mehr NUR dazu da, Menschen gesund zu machen. Sie sind auch Wirtschaftsunternehmen, die Profit abwerfen sollen. Die Fatale Folge: Viele Kliniken sparen ausgerechnet bei den Stellen für Pflegepersonal. So kann es auf Dauer nicht weitergehen! Politik muss hier gegensteuern. Warum zeigen Susanne Katharina Opalka und Ursel Sieber mit einer erschreckenden Geschichte.

    www.rbb-online.de/...rankenhaeuser.html

    Im EU-Vergleich ist Deutschland ein Schlußlicht in Sachen Qualität der Versorgung durch Quantität (Anzahl der Pflegekräfte). So viele Patient-/innen versorgt eine Pflegekraft:

    Deutschland: 10,3



    Belgien: 7,8



    Großbritannien: 7,7



    Schweden und Irland: jew. 6



    Finnland: 5,8



    Schweiz: 5,5



    Niederlande:4,9



    Norwegen: 3,8

    Quelle: …rbb/kontraste/aus 2013

    • @Stefan Mustermann:

      Danke für die Links und besonders für das Zahlenverhältnis Pfleger*innen|Zu Pflegende.

      • @Frau Kirschgrün:

        Wie kommen Sie auf 10,3 Patienten pro Pflegekraft in Deutschland?



        Ich arbeite hier an einer Uniklinik und habe größtenteils 16-18 Patienten zu versorgen!

  • Die Untergrenze soll nur das Mindestmaß sicher stellen. Interessant ist, dass nur von den Linken eine wahrnehmbare Reaktion und Kritik erfolgt. Haben die Grünen die sozialen Fragen mittlerweile ausgegrenzt?