Lehrer kämpfen um ihre Freizeit

SPD und CDU wollen Elternsprechtage und Fortbildungen in die Freizeit legen. Lehrer und Gewerkschaften halten das für Populismus: Schon jetzt bleibe ihnen wenig freie Zeit. Unterrichtsausfall könne nur durch mehr Stellen bekämpft werden

VON MAREN MEIßNER

Lutz Lennardt ist sauer. Die Wut des Leiters einer Dortmunder Hauptschule richtet sich gegen die nordrhein-westfälische SPD-Landtagsfraktion. „Ich bin seit 37 Jahren Mitglied, aber hätte jetzt Lust, mein Parteibuch zurückzugeben“, sagt er. Grund für seinen Ärger sind die Äußerungen der Landtagsfraktionsvorsitzenden der NRW-SPD, Hannelore Kraft. Die hatte eine Bestrafung für Schulen gefordert, die Elterngespräche und Sprechtage während der Unterrichtszeit durchführen. Damit schließt sie sich CDU-Schulministerin Barbara Sommer an, die in einem Schreiben alle Schulen aufgefordert hatte, den Unterrichtsausfall zu bekämpfen: „Unterricht hat Vorrang vor allem anderen, was im Schulleben wünschenswert oder notwendig ist“, heißt es darin. „Der Unterricht darf nicht dermaßen in den Vordergrund gestellt werden“, sagt Lennardt, „unsere Eltern haben einen hohen Beratungsbedarf“.

Diese Einschätzung teilt Iris Stank, Lehrerin an einer Dortmunder Realschule. „Wir müssen auch morgens für Eltern Sprechzeiten anbieten, die nachmittags berufstätig sind“, ergänzt sie. Stank unterrichtet Deutsch und Biologie, gibt 28 Wochenstunden. Hinzu kommen täglich vier Stunden Unterrichtsvorbereitungen, zudem Dienstbesprechungen und Konferenzen: „Die finden bei uns grundsätzlich außerhalb der Unterrichtszeit statt“. Zusätzlich leitet sie die Schülerzeitungs-AG. Oft ist die Pädagogin von sieben bis 22 Uhr nur mit ihrer Schularbeit beschäftigt. Für private Dinge bleibt der 34-Jährigen wenig Zeit: Auch am Wochenende korrigiert sie und bereitet ihren Unterricht vor. Auch deswegen ist sie dagegen, Elternsprechtage in die Freizeit der Lehrer zu legen, von der sie ohnehin schon fast keine mehr hat.

„Wir halten die Forderungen der Landesregierung und der SPD für eine Zumutung“, sagt auch Andreas Meyer-Lauber, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Nordrhein-Westfalen. „Der Populismus der Parteien bedient das Vorurteil, dass Lehrer faule Säcken sind“. Dabei haben mehrere auch von der Landesregierung selbst in Auftrag gegebene Studien das Gegenteil ergeben. So liegt die durchschnittliche Jahresarbeitszeit von Realschullehrern bei knapp 1.800 Stunden, trotz mehrwöchiger Ferien. „Die sind aber, bis auf die Sommerferien, auch für Korrekturen von Klassenarbeiten eingeplant“, sagt Lehrerin Stank. Die Ergebnisse einer von der Universität Bremen durchgeführten Studie weisen auf die hohen psychischen Belastungen im Lehrerberuf hin.

Schulrektor Lennardt und Lehrerin Stank geben, nach den Gründen von Unterrichtsausfall gefragt, die gleiche Antwort: „Zu wenig Stellen“. Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) zitiert eine Studie, wonach die Hauptgründe für Unterrichtsausfall nicht Beratungstätigkeiten sind, sondern fehlende Stellen einerseits und unvorhersehbare Erkrankungen von LehrerInnen andererseits. Zwar hat die CDU bisher 1.000 neue LehrerInnen eingestellt, das reicht aber gerade, um die gestiegenen Schülerzahlen zu bewältigen. Mit dem Vorstoß, die Lehrer für den Ausfall von Stunden verantwortlich zu machen, schlage die Landesregierung die falsche Richtung ein, so VBE und GEW übereinstimmend. Die Verbände planen, so GEW-Vorsitzender Meyer-Lauber, sich mit der Landesregierung weiter über dieses Thema auseinanderzusetzen: „Die Sache ist noch nicht zuende“.