Neuneinhalb Wochen, Teil 4
: Fusspflegerin? No way!

Susanne Gieffers, taz-Redakteurin, arbeitet für neuneinhalb Wochen in Minneapolis, USA. An dieser Stelle berichtet sie regelmäßig über diese Stadt, in der, wenn man will, vieles an Bremen erinnert

In jeder ordentlichen Stadt sollte es zwei Zeitungen geben, mindestens. Damit der mündige Bürger die Wahl hat und seinen Nachbarn dafür verachten kann, dass der die falsche getroffen hat. Minneapolis ist eine ordentliche Stadt, zumindest im Schulterschluss mit ihrem Zwilling, Saint Paul. In beiden Städten gibt es je eine Zeitung, die aber beide über ein und dasselbe Geschehen in den TwinCities berichten. Sie machen sich also Konkurrenz, und die belebt ja bekanntlich das Geschäft.

„Guckt mal, wie schlecht die heute wieder sind“, grölt der Chef in der Morgenkonferenz, hält die Titelseite der anderen Zeitung hoch, und alle freuen sich. Es ist egal, wo diese Szene spielt – in der StarTribune am westlichen oder in der Pioneer Press am östlichen Mississippi-Ufer: So muss es sein. Erstens macht es Spaß und zweitens Mut, ein weiteres Mal besser zu sein als die da drüben.

In fast gleicher Zahl aber gibt es Tage, an denen morgens alle still sind, konzentriert auf die Texte in der Konkurrenz. Irgendwann räuspert sich der Chef und sagt: „Well, wir müssen besser werden.“ Betretenes Schweigen. Dann wieder der Chef, lauter diesmal: „Und zwar ganz gehörig.“ An solchen Tagen ist der Start ein bisschen weniger spritzig, die Diskussion um den Aufmacher ein bisschen weniger entspannt, und wenn dann noch ein Leser wagt sich zu beschweren und die andere Zeitung die bessere nennt – dann ist der Tag gelaufen. Was wiederum unweigerlich dazu führt, morgen wieder obenauf zu sein und umso lauter über die Konkurrenz zu lästern. Ein guter Chef achtet übrigens darauf, die Waage knapp zugunsten der eigenen Mannschaft zu halten, aber nur ganz knapp. So sollte es sein.

Wenn Minneapolis allein wäre mit der StarTribune, würden sie in der Chefetage diverse Flaschen Sekt aufmachen. Die Konferenzen aber würden lahmer, der Ehrgeiz kleiner. Die Stadt würde ärmer.

Bleibt nur noch, von dem wundervollen Himbeer-Pie zu berichten, den Jane mir gebacken hat, als ich ihr von den schlimmen Bremer Nachrichten berichtet habe. Und von ihrem lakonischen Kommentar: „Well – you can still become Fusspflegerin.“