Senat tritt auf die Bremse

Ab November gilt auf kurzen Teilstrecken von 16 Hauptstraßen Tempo 30. Damit will Senatorin Junge-Reyer Lärm vermindern und die Unfallgefahr senken. Grüne: Konzept „nicht sehr mutig“

Von Alexandra Müller

Berlins Autofahrer müssen künftig häufiger einen Gang zurückschalten: Von November an werden 16 neue, reichlich kurze Tempo-30-Abschnitte auf Hauptverkehrsstraßen eingeführt. Auf der Skalitzer Straße in Kreuzberg beispielsweise gilt das Tempolimit auf den 277 Metern zwischen Erkelenzdamm und Kottbusser Tor. In der Potsdamer Straße in Mitte dürfen die 30 Stundenkilometer auf den 243 Metern zwischen Ebertstraße und Eichhornstraße direkt vor dem Sony Center nicht überschritten werden.

Die 16 betroffenen Straßenabschnitte sind durch Lärm und Schadstoffe außerordentlich belastet, sagt Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) gestern bei der Vorstellung des Konzepts. Außerdem häuften sich dort die Unfälle. „Tempo 30 dagegen halbiert den Lärm. Gleichzeitig sinkt das Unfallrisiko im Vergleich zu Tempo 50 um ein Achtel“, begründet die Senatorin ihre Anordnung.

Bislang galt Tempo 30 auf 53 Kilometern im Berliner Hauptverkehrsstraßennetz, künftig sind es 6 Kilometer mehr. So dürfen die Berliner auf 4 Prozent aller Hauptstraßen nur noch 30 Stundenkilometer fahren.

Insgesamt hat die Senatsverwaltung 123 Straßenabschnitte daraufhin geprüft, ob dort Tempo 30 eingeführt werden kann. Viele Vorschläge, darunter die Frankfurter Allee oder die Hauptstraße in Tempelhof, wurden wieder verworfen. Friedemann Kunst, Referatsleiter für Verkehrsentwicklungsplanung, nennt als Gründe Probleme bei Busverbindungen, zu teure Ampelschaltungen oder die Befürchtung, dass sich der Verkehr in die Nachbarstraßen verlagern könnte.

„Vorgeschobene Gründe“, findet Martin Schlegel, Verkehrsreferent des BUND: „Die 16 Abschnitte reichen für eine geringere Lärm- und Luftbelastung bei weitem nicht aus.“ In den nächsten Tagen wird der BUND der Senatorin eine Liste von rund 50 weiteren Straßenabschnitten vorlegen.

Auch die umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Claudia Hämmerling, ist von der Senatsverwaltung enttäuscht. Sie bezeichnet die neue Tempo-30-Anordnung als „nicht sehr mutig“. „Für mich ist das ein Buch mit sieben Siegeln, warum man nur bei 10 Prozent aller überprüften Straßenabschnitte Tempo 30 einführt“, sagt Hämmerling. „Da sorgt man sich wohl so kurz vor der Wahl um die Autofahrer als potenzielle Wähler.“

Ein scharfer Kritiker von der anderen Seite ist Klaus-Peter von Lüdeke, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Er kritisiert die Tempo-30-Anordnung als „Entwertung des Berliner Hauptverkehrsstraßennetzes“.

Das neue Tempo-30-System tritt im November in Kraft. Ein Jahr lang wird getestet, ob dadurch Lärm- und Luftbelastung sowie die Unfallzahlen sinken. Gleichzeitig kontrolliert die Polizei verstärkt. In diesem Punkt sind sich Hämmerling und Junge-Reyer einig: „Es wird nur eingehalten, was kontrolliert wird.“