Hohe Erwartung an den neuen WTO-Chef

Pascal Lamy soll die Doha-Runde zum Erfolg führen. Der Druck auf die Entwicklungsländer wächst, fürchtet Attac

GENF taz ■ Bei der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf tritt zum heutigen 1. September der Franzose Pascal Lamy den Posten des Generaldirektors an. Aus dem Kreis der 148 Mitgliedstaaten richten sich allerhöchste Erwartungen an den früheren Handelskommissar der Europäischen Union. Lamy soll die seit zwei Jahren völlig festgefahrenen Verhandlungen der im November 2001 ausgerufenen Doha-Runde wieder flottmachen und endlich zu einem erfolgreichen Abschluss führen.

Für diese Aufgabe bringt er scheinbar beste Voraussetzungen mit. Er genoss die Ausbildung an verschiedenen französischen Eliteschulen und war Berater des früheren Finanzministers Jacques Delors. Dieser holte Lamy 1985 auch nach Brüssel und berief ihn schließlich zu seinem Kabinettschef an der Spitze der EU-Kommission.

Nach einer fünfjährigen Zwischenstation bei der Großbank Crédit Lyonnais wurde Lamy 1999 Handelskommissar der EU. In dieser Rolle erwarb er sich den Ruf eines zähen und geschickten Unterhändlers.

Erfolgreich schützte Lamy die von fast allen anderen WTO-Mitgliedern bereits seit Ende der 80er-Jahre scharf kritisierte Agrarsubventionspraxis der EU – und verteidigte damit vor allem auch französische Nationalinteressen. Als EU-Chefunterhändler sorgte Lamy mit seinen jeweiligen Counterparts aus den USA, Japan und Kanada im Endeffekt immer dafür, dass das Quartett dieser vier WTO-Elefanten lange Zeit seine gemeinsamen Interessen gegen den „Rest“ der anderen 130 Mitgliedstaaten durchsetzen konnte.

Erstmals gelang dies nicht mehr bei der letzten Ministerkonferenz Ende 2003 im mexikanischen Cancun. Eine Koalition aus dem damals gerade der WTO beigetretenen China, Brasilien, Indien, Südafrika sowie 16 weiteren Ländern des Südens (G 20) widersetzte sich erfolgreich dem Druck der vier weltgrößten Handelsmächte. Die Konferenz scheiterte.

Seitdem, so bemängelt das globalisierungskritische Netzwerk Attac, habe Lamy, der sich in der Öffentlichkeit gern als Freund der Entwicklungsländer präsentiere, hartnäckig darauf hingearbeitet, deren gemeinsames Auftreten in der WTO zu spalten und zu schwächen. Und der Druck werde bis zum nächsten WTO-Gipfel im Dezember in Hongkong weiter zunehmen, erklärte Attac. Es sei nicht zu erwarten, dass es in der WTO unter der Ägide von Lamy zu einer entwicklungsfreundlichen Agenda komme. AZU, STEP