Lars Penning
Filme aus dem Archiv –
frisch gesichtet
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Eine Sonderstellung im Werk von Alfred Hitchcock nimmt „The Man Who Knew Too Much“ ein. Die Geschichte um eine Gruppe von Attentätern, die das Kind eines Ehepaars kidnappt, das zufällig vom Mordkomplott gegen einen Staatsmann während eines Konzerts in der Royal Albert Hall erfahren hat, drehte der Meisterregisseur nämlich gleich zweimal: Eine erste Fassung entstand 1934 in England, das weitaus bekanntere Remake 1956 in den USA. Obwohl der Plot in etwa gleich blieb, unterscheiden sich die beiden Versionen wesentlich: Die britische Ausgabe könnte man fast einen Actionfilm nennen, er ist viel temporeicher, zupackender und deutlich geprägt von einem schrägen britischen Humor. Als einmal eine Schlägerei in einer Kirche beginnt, sagt jemand ungerührt: „Spiel die Orgel, sonst hört man draußen den Krach.“ Der Anführer der Agenten (Peter Lorre mit weißer Haarsträhne und einer Narbe auf der Stirn) und der sehr dynamische Vater des Kindes (Leslie Banks) liefern sich dabei ein stets von formvollendeter Höflichkeit geprägtes Duell (Original mit spanischen UT, 31. 7., 20 Uhr, Zeughauskino, Unter den Linden 2)

Einer meiner persönlichen Lieblingsfilme im Werk des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman ist „Das Gesicht“ („Ansiktet“, 1958), der die Thematik von „Abend der Gaukler“ weiterführt. Doch die Demütigungen, die eine Schaustellertruppe im 19. Jahrhundert erfährt, als ihre vermeintlich übernatürlichen Darbietungen in einem aufgeklärten Haushalt als Scharlatanerie entlarvt werden, lassen die Gaukler diesmal nicht auf sich sitzen: Ihr Chef Dr. Vogeler (Max von Sydow) sinnt auf Rache und inszeniert in der Folge (Spuk-)Erscheinungen, die seine überheblichen Gastgeber in Todesangst versetzen. Das ist ebenso sehr eine bitterböse Komödie wie ein existenzielles Drama und (Beinahe-) Horrorfilm: so brillant wie unterhaltsam (Original mit englischen UT, 31. 7., 19.30 Uhr, Babylon Mitte, Rosa-Luxemburg-Straße 30).

Die Filmreihe „Schweizer Macherinnen“ im Filmmuseum Potsdam präsentiert Arbeiten von Filmemacherinnen sowie Filme über Frauen in der Schweiz und eröffnet mit ­Jacques Feyders Kindheitsdrama „Visages d’enfants“ (1925), einem in den Schweizer Bergen toll fotografierten Stummfilm, in dem sich der zehnjährige Jean derart in die Trauer um seine Mutter hineinsteigert, dass sein Hass auf die Stiefmutter und die kleine Stiefschwester fast eine Katastrophe auslöst. Besonders beeindruckend ist die Sensibilität, mit der Feyder seine kindlichen Darsteller führt (OmU, 26. 7., 19 Uhr, Filmmuseum Potsdam, Breite Straße 1A).