Die verschwundenen Lobbyisten

MINISTERIEN Die Anzahl der in den Bundesministerien mitarbeitenden Interessenvertreter sinkt offiziell. Doch manche Lobbyisten sind nun aus entsprechenden Berichten einfach gestrichen worden

Mitarbeiter von Kassenverbänden tauchen im neuen Lobby-Bericht nicht mehr auf

BERLIN taz | Man weiß nicht, ob man sich freuen oder ärgern soll: freuen, weil die Anzahl der Lobbyisten in den Bundesministerien leicht zurückgeht – oder ärgern, weil dieser Rückgang auch dadurch zustande kommt, dass die Bundesregierung an ihren Verwaltungsvorschriften geschraubt hat.

Laut dem noch unveröffentlichten „Neunten Bericht über den Einsatz externer Personen in der Bundesverwaltung“, der der taz vorab vorliegt, scheint die Kritik der vergangenen Monate an den in Bundesministerien eingesetzten Lobbyisten zu wirken: Die Anzahl der Leihmitarbeiter ist im Vergleich zum vorherigen Bericht von 70 auf 62 leicht gefallen.

Das Innenministerium listet zweimal pro Jahr auf, welche externen Mitarbeiter in den Ministerien tätig sind. Im ersten Halbjahr dieses Jahres hat nur das Bildungsministerium neue Externe aufgenommen. Die neuen Fälle sind jedoch harmlos; Wirtschaftsunternehmen oder Verbände fallen nicht darunter.

Kritisch ist aber die Streichung von Mitarbeitern des Verbands der Ersatzkassen (vdek) aus dem Bericht. Einer der Lobbyisten schrieb noch bis Ende August im Gesundheitsministerium Vermerke und Reden für die Leitung des Ministeriums.

In dem Lobby-Bericht tauchen nun aber alle vdek-Mitarbeiter nicht mehr auf. „Da Ersatzkassen öffentlich-rechtliche Körperschaften sind, fällt der vdek als ihr Verband nicht unter den Anwendungsbereich der Verwaltungsvorschrift“, heißt es im Bericht. In der einschlägigen Verwaltungsvorschrift steht zwar, dass Verbände von öffentlich-rechtlichen Körperschaften nicht aufgeführt werden müssen, doch Juristen sehen in der neuen Praxis einen Rechtsverstoß. „Der vdek ist ein privatrechtlicher Zusammenschluss, der begründet worden ist, um Interessen wahrzunehmen“, sagt der renommierte Verwaltungsrechtler Ulrich Battis. Die Begründung für die Streichung sei daneben. Der Begriff des öffentlichen Dienstes, zu dem der vdek plötzlich zählen soll, umfasst als Rechtsbegriff keine privaten Vereine, erklärt Battis.

Der Bericht wirft weitere Fragen auf: Seit Oktober 2011 arbeitet im Auswärtigen Amt ein Mitarbeiter des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Laut früheren Berichten hat er „Beiträge“ zu Reden für die Leitungsebene des Ministeriums geleistet. In der aktuellen Aufstellung ist davon nichts mehr zu lesen – ohne Begründung. Wie zuverlässig sind die Angaben? Auf Anfrage teilt eine Sprecherin des Auswärtigen Amts mit, die Aufgabenbereiche könnten sich im Laufe des Einsatzes ändern. Den Zeitpunkt der Aufgabenänderung oder eine konkrete Begründung dafür kann das Außenamt nicht nennen – und versäumt es so, die Änderung zu belegen oder nachvollziehbar zu erklären.

Nach Recherchen der taz arbeiten in den Bundesministerien viele weitere Beschäftigte, die rechtlich zum öffentlichen Dienst zählen und deshalb nicht im Bericht über externe Mitarbeiter aufgeführt werden müssen. Diese Mitarbeiter kommen unter anderem von der Kreditanstalt für Wiederaufbau und dem GKV-Spitzenverband der Krankenkassen. Die Initiative LobbyControl fordert, sie in den Bericht aufzunehmen. So sei auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau in den Lobbygruppen der Finanzbranche vertreten. Die umstrittene Streichung des vdek-Mitarbeiters zeige, dass auch solche Mitarbeiter aufgelistet werden müssen.ANDREAS MAISCH