dvdesk: Manchmal gibt es richtige Action
„11 x 14“, der erste spielfilmlange Film von James Benning, ist weniger ein Film, der etwas erzählt, als ein Film über das Erzählen. Er besteht aus Einstellungen, von denen viele recht kurz sind, zehn, zwanzig Sekunden: die Stadt mit ihren Siebziger-Jahre-Werbeplakaten, ein Kino, Giraffen, Häuser, Felder, Autos und Flugzeuge; einige wenige Einstellungen sind aber sehr lang, mehrere Minuten, eine lange Fahrt aus einem Hochbahnwagen gefilmt, eine Bewegung hinein nach Chicago; oder einmal das statische Bild eines Schornsteins, aus dem es vor blauem Himmel sehr eindrucksvoll qualmt, weiße Rauchwolkenformationen, deren ständigen Gestaltwandel zu beschreiben einigen sprachlichen Aufwand erfordern würde.
Viele der Einstellungen in Bennings Film verlangen, will man etwas über sie sagen, genau das: Beschreibung. Sie weisen damit voraus auf viele der experimentell-dokumentarischen späteren Filme Bennings, die strengen selbst gesetzten Regeln gehorchen, „Ten Skies“ etwa, in dem man tatsächlich genau und nur das sieht, was der Titel verspricht, Aufnahmen vom Himmel, lang, statisch, zehn Stück.
Viele andere Einstellungen in „11 x 14“ jedoch zeigen Menschen, die etwas tun. Sie gehen eine Treppe nach oben zur Hochbahn. Sie stehen an Mauern oder sitzen im Gras. Mitunter verdichtet sich ihr Tun zu einer Minimalhandlung: Zwei Frauen in einem Bett, eine ganz nackt, man sieht sie, der Kopf auf Höhe der Füße der andern, in der Rückenansicht, eine andere Frau, die sie streichelt, nur mit einer offenen roten Bluse bekleidet, nach einigen Minuten wechselt die nackte Frau die Position.
Das alles ist in Zeitlupe gefilmt, vielleicht ist das postkoital, vielleicht kommt dann noch Sex, vielleicht aber auch nicht, reine Spekulation. Über dem Bett hängt ein Bild, das ein Haus zeigt. Dieses Haus wird man später im Film dann noch sehen, ohne dass daraus etwas Besonderes folgt, außer dass die aufmerksame Beobachterin konstatiert: Hier hängen, so disparat vieles scheint, manche Menschen und Dinge, übrigens durchaus auch Töne, zusammen, auch wenn sich daraus noch lange keine zusammenhängende Geschichte ergibt.
Manchmal, selten, gibt es richtige Action: Eine Frau, zwei Männer gehen über die Straße, betreten eine Taverne, vorne kommt ein Lkw an, aus dem ein Mann etwas auslädt. Erst kommt die Frau, die Hände ringend, wieder aus der Taverne, bald darauf die Männer, die sich prügeln, sie gehen zu Boden, nach links rennt die Frau die Straße herunter davon, während der Mann am Lkw das Geschehen nicht weiter beachtet. Dieses Geschehen hat Benning ganz offenkundig nicht vorgefunden, sondern wie ein oder als Spielfilmregisseur selber in Szene gesetzt. Wenn man in Worte fasst, was man da sieht, bewegt man sich vom Beschreiben in Richtung Erzählen.
Dazwischen bewegt sich mit voller Absicht, ja mit erzähltheoretischer Intention dieser Film. Ein Spielfilm will und soll das nicht sein. Man kann, trotz der hergestellten oder sich ergebenden Binnenbezüge der wiederkehrenden Darsteller*innen, schwerlich eine Geschichte (nach-)erzählen – so ist schon der Status der Darsteller*innen nicht klar: Sind sie sie selbst und so wiederkehrend nur deshalb dieselben, oder sind sie Figuren in einer Erzählung, das hieße also: bei jedem Auftauchen dieselbe Figur? Spielt die amerikanische Landschaft eine andere Rolle, als nur an und für sich interessierender Gegenstand quasi-dokumentarischer Aufnahmen zu sein, also hat das werkinterne Bedeutung, dass man etwa den Mount Rushmore im Hintergrund sieht? Was ist Zufall, was ist von Benning gefügt?
Antworten darauf gibt der Film nicht, aber er ist ein Werk, das den aufmerksamen Blick und das Begehren nach einem Plot mit solchen Fragen belohnt. Ekkehard Knörer
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