Schnurren, singen, knurren

Musikalische Auferstehung: „Redemption“, das neue Album des Rappers Jay Rock

Jay Rock spricht offen davon, wie trostlos das Dasein als Krimineller ist

Von Johann Voigt

Was macht eine Nahtoderfahrung mit einem Künstler und seiner Musik? Jay Rocks neues Album „Redemption“ könnte eine Antwort liefern. 2016 verunglückte der US-Rapper bei einem Motorradunfall. Der 33-Jährige reimt auf dem Titelstück des Albums von inneren Blutungen, Knochenbrüchen und davon, dass er seine eigene Beerdigung vor sich sah. „I see my funeral packed, I see some lyin’, some cryin’and some ­givin’dap“. Harter Stoff.

Ansonsten bleibt seine Beschreibung der imaginierten Beerdigung zwar vage, sein aktuelles drittes Album ist dafür aber in Sound und Sprache umso klarer. Es ist eine musikalische Auferstehung oder, so steht es ja im Titel, eine Wiedergutmachung. Es lässt sich als Wiedergutmachung der aktuellen Tabubrüche innerhalb der Rapszene lesen, und die ist nötig.

Gerade jetzt, wo einige hochkarätige US-Rapper sich ausschließlich in Drogenfantasien ergehen, ihnen sexualisierte Gewalt vorgeworfen wird oder sie sich in politisch fragwürdige Aussagen verstricken. Siehe Kanye Wests Relativierung der Sklaverei-Geschichte. Jay Rock hingegen hat Provokation als Marketingtool nicht nötig. „Redemption“ bleibt vor allem eine rationale Beobachtung der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung in den USA und eine Vergegenwärtigung des eigenen Seins noch dazu.

Weiße Polizisten erschießen unbewaffnete Schwarze, die Trinkwasser-Ressourcen in Kalifornien werden knapp, trotzdem ist der Umgang damit verschwenderisch. All das behandelt Jay Rock als Subtext seiner Songs. Gleichzeitig bleibt er high vom Joint und optimistisch genug, sich für nicht weniger als den allerbesten Rapper zu halten. Das lyrische Ich ist dabei in einer Art Transitzone zwischen dem Ort seiner Jugend, der Siedlung Nickerson Gardens in Los Angeles und dem durch Einnahmen aus dem Rapgeschäft erreichten Wohlstand.

Jay Rock schnurrt eindringlich, singt kurzzeitig brüchig, hin und wieder knurrt er. Dann tänzelt er elegant um die reduzierten Drums und Sounds, die immer ein bisschen kaputt klingen, und ein bisschen zerfetzt. Während er tänzelt, spricht er vom Istzustand in benachteiligen Vierteln – ganz ruhig, nur selten aufgekratzt. Jay Rock, auch das hebt ihn von den ewigen Glorifizierungen des Gangstarap ab, spricht offen davon, wie trostlos das Dasein als Krimineller eigentlich ist.

Auf der Straße wird man von Konkurrenten abgezogen, im Gefängnis wird man von ihnen verraten, weil sie eine Haftminderung erwarten. Spaß hat dabei keiner, und ehrenwert, wie es einige Gangsta-Rapper darstellen, ist daran rein gar nichts. Jay Rock hat das verstanden und versucht es in seine Texte zu verpacken, ohne wie ein Pädagoge zu klingen. Und es funktioniert.

Damit reicht er nahe an seinen Top-Dawg-Entertainment-Kollegen Kendrick Lamar heran. Obwohl Jay Rock länger als Lamar zum Label gehört, blieb er bisher immer der Edeljoker auf der Ersatzbank. Mit „Redemption“ wird sich das nun ändern, und Kendrick Lamar hilft Jay Rock bei diesem Schritt mit einem schnöde arroganten Gastpart und einigen Backingvocals. Durch die schönen Stimmen von Gastsängern wie Jeremih und einer Stotterattacke wie aus dem Jenseits von Future („King’s Dead“) kommen Soundfragmente dazu, die Jay Rock nicht hätte erschaffen können. Aber er kann mit ihnen harmonieren. Um nun auf die Frage vom Anfang zurückzukommen: Die Nahtoderfahrung sorgt dafür, dass das künstlerische Werk Haltung zeigt, aber bescheiden bleibt. „Redemption“ tost wild, wagt Experimente, ist aber trotzdem unaufdringlich.

Jay Rock: „Redemption“ (Interscope/Universal Music)