I-Dötzchen in die Gettoschule

Die CDU beugt sich der FDP: Die Schulbezirke werden abgeschafft. Ab 2008 sollen Eltern die Grundschule ihrer Kinder frei wählen können. Einige Christdemokraten finden das „widerlich“

AUS DÜSSELDORFANDREAS WYPUTTA

Eine eigene Rede hätte sich Nordrhein-Westfalens ehemalige SPD-Schulministerin Ute Schäfer sparen können. Genüsslich zitierte die Sozialdemokratin gestern in der ersten Sitzung des Landtags den CDU-Abgeordneten Michael-Ezzo Solf. „Widerlich“ sei die Forderung der FDP nach einer Auflösung der Schulbezirke, hatte Solf 2001 erklärt. Der bildungspolitische Sprecher der FDP, Ralf Witzel, verstehe den „Bildungsprozess nicht als Teil der Entwicklung des Menschen“, sondern zunächst als „Instrument, um möglichst viele Humaneinheiten möglichst fit für die Volkswirtschaft zu machen“, so Studiendirektor Solf.

Bisher sind Eltern durch ihren Wohnort an Schulbezirke gebunden. Das fanden Solf ebenso wie die CDU-Parlamentarierin Maria-Theresia Kastner richtig. Doch gestern mussten sie schweigen. Sie hatten früher vor einer drohenden sozialen Spaltung schon mit der Einschulung gewarnt– nicht mehr die Nähe zur elterlichen Wohnung, sondern der Ruf der Schule wären dann entscheidend. Eltern könnten „die Aufhebung der Schulbezirke dazu nutzen, Kinder in ‚bessere‘ Schulen zu schicken“, so Kastner 2001 im Landtag. In weniger angesehenen Schulen blieben sozial Schwache unter sich.

Anstelle von Solf und Kastner musste NRWs neue Schulministerin Barbara Sommer (CDU) die vom kleinen Koalitionspartner durchgedrückte Auflösung der Schulbezirke begründen, unterstützt von den CDU-Abgeordneten Klaus Kaiser und Bernhard Recker. Schon heute hätten „bildungsnahe“ Eltern die Chance, für ihre Kinder jede Schule auszuwählen. „Sie wissen nämlich, wie man gegenüber der Schulaufsichtsbehörde die Genehmigung einer solchen Ausnahme durchsetzt.“

Ganz nebenbei kündigte die politische Quereinsteigerin Sommer Schulschließungen an: Die freie Schulwahl führe zu gut und weniger besuchten Grundschulen. „Dies erleichtert Schulträgern und Schulaufsicht die Entscheidung darüber, welche Schulen erhaltenswert sind.“ Bei der Opposition sorgte Sommer damit für Entsetzen: „Ab heute geht es für die Grundschulen ums Überleben“, so die grüne Abgeordnete Sigrid Beer in einer ersten Reaktion zur taz.

Die Abschaffung der Schulbezirke kommt so schnell aber nicht: Zwar wurde ein Antrag von SPD und Grünen zu deren Erhalt mit den Stimmen der schwarz-gelben Landtagsmehrheit abgeschmettert. Aber erst 2008 sollen Eltern ihre Kinder zu jeder beliebigen Grundschule chauffieren dürfen. Dennoch gaben sich gerade Liberale im Landtag erleichtert – sie hatten befürchtet, innerhalb der CDU könnten sich die Kritiker um Solf und Kastner durchsetzen. Um „Gettoschulen“ zu verhindern, müsse besonders die Förderung von Migrantenkindern mit schlechten Deutschkenntnissen sichergestellt werden: „Da ist CDU-Integrationsminister Armin Laschet gefordert.“