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Esther Slevogtbetrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen

Ahmed Ölgür, Inhaber der ikonografischen Dönerbude in der legendären Theatersitcom „Gutes Wedding Schlechtes Wedding“, war lange in der Türkei, lesen wir auf der Webseite des Prime Time Theaters, auf dessen Spielplan in dieser Woche die 117. Folge der Kiez-Soap angekündigt ist. Jetzt ist er wieder da, und alles ist anders. Seine Tochter wird vermisst. Vermutlich ist sie bei einem Brandanschlag ums Leben gekommen. Denn klar, dass in Zeiten wie diesen auch die Kiezwelt von GWSW nicht mehr so heil ist wie einst, als hier noch ebenso naiv wie herzzerreißend der Clash der Kiezkulturen verhandelt werden konnte.

Das Zusammentreffen der Proletarier aller Länder in einem Berliner Stadtteil, die damals (als 2004 alles anfing) noch keinen größeren Feind als die sogenannten Prenzlwichser kannten – jene nervigen Bürgerkinder jenseits der Bösebrücke, die die beiden Berliner Stadtteile Wedding und Prenzlauer Berg trennt. Und deren Auftauchen im Wedding stets Kunst- und damit Entfremdungsalarm bedeutet hat. Denn wo diese Spießer anfangen, Kunst zu machen, wächst erfahrungsgemäß kein Gras mehr, jedenfalls wenn man der von Theaterleiter Oliver Tautorat höchstpersönlich verkörperten Figur der Kiezgröße Kalle glaubt, der ein feines Sensorium für Entfremdungszusammenhänge hat. Doch in Zeiten von NSU und AfD gibt es längst größere Gefahren. Leute, die Wohnheime anzünden zum Beispiel. „Ahmed auf Abwegen“ heißt diese neue Folge. (Prime Time Theater: „Gutes Wedding Schlechtes Wedding“, 19. – 23. 7., 20.15 Uhr.)

„Gegendarstellung“ lautet das jüngste Programm des Münchner Kabarettisten Max Uthoff, mit dem er in dieser Woche im Kabarett Die Distel gastiert. Uthoff ist einer der intelligentesten seiner Zunft: weil er in den Wunden der Zeit bohrt und stochert und keinem etwas schenkt. Trotzdem muss ich dem Untertitel seines Programms widersprechen. Denn dass die Sprache die Waffe des Pazifisten ist, hat nicht erst der aggressive Twitterer Donald Trump in unseren Zeiten, die so bar jeder Vernunft daher kommen, längst widerlegt. (Die Distel: „Max Uthoff: Gegendarstellung“, 19. & 20. 7., 20 Uhr).

In der Bar Jeder Vernunft, dem berühmten Spiegelzelt, das auf einem Wilmersdorfer Parkdeck steht, findet aktuell der „4. Frauensommer“ statt. Ein halbes Jahrhundert nach dem Signaljahr 1968 geht das Programm der Frage nach, welche Folgen der damals auch mit Macht in den gesellschaftlichen Mainstream gedrängte Feminismus heute noch hat. Diese Woche mit der Kabarettistin Maren Kroymann (17. – 22. 7., 20 Uhr) und Bettina Wegner (23. 7., 20 Uhr).

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