„Es geht um weißes Denken“

Eine Auslandsreporterin berichtet von Klischees

■ 57, schreibt als Auslandsreporterin für Die Zeit und Le Monde diplomatique. Sie ist Buchautorin und Dozentin für Journalismus.

taz: Frau Wiedemann, Ihr Buch heißt: „Vom Versuch, nicht weiß zu schreiben“. Was bedeutet das?

Charlotte Wiedemann: „Weiß schreiben“ heißt, die Welt aus unserer eigenen, eurozentristischen Perspektive zu sehen. Natürlich bleibt das nicht ganz aus. Wir leben nun einmal im Wohlstand. Aber ich erwarte von Journalisten, dass sie sich dessen bewusst sind.

Ein Appell an die eigene Branche?

Ja, eine Warnung vor anmaßender Sicherheit und ein Appell, Respekt vor anderen Kulturen und auch vor den Mediennutzern zu haben. Denn einseitige Schreckensmeldungen aus dem Ausland führen zu einem paranoiden Weltbild.

Was können deutsche Berichterstatter von Auslandsreportern lernen?

Auslandsjournalisten müssen nach einer bestimmten Zeit den Standort wechseln, um sich nicht zu sehr zu akklimatisieren. Ich wünsche mir, dass auch Hauptstadtjournalisten rotieren müssen, um Abstand zu gewinnen. Denn das sind auch diejenigen, die Politiker auf Auslandsreisen begleiten und mit verengtem Blick berichten.

Ärgert Sie das?

Ich kann verstehen, dass sie mal aus ihrem Büro raus wollen. Das Problem ist ein anderes: Unabhängiger, hochwertiger Auslandsjournalismus wird nicht mehr ausreichend finanziert.

Haben Sie deshalb ein Buch an Ihre eigene Branche geschrieben?

Das ist kein reines Branchenbuch. Es richtet sich an alle, die Medien nutzen. Es geht nicht nur um weißes Schreiben, sondern auch um weißes Denken.INTERVIEW: KLU

Buchvorstellung „Hat unser Journalismus eine Hautfarbe?“: 19 Uhr, Uni-Hauptgebäude, Edmund-Siemers-Allee 1, Hörsaal H