Die Geschichte der Brüder

Lado und Manuel Fumic sind Deutschlands beste Mountainbiker. Mit diesem Können haben sie ihre eigene Firma gegründet. Bei der WM in Livigno wollen sie zeigen, wie gut das Geschäft läuft

AUS KIRCHHEIM/TECK JÜRGEN ROOS

Die folgende Szene ist die vollkommene Fiktion: Es ist Sonntag, der 4. September 2005, kurz vor halb fünf. Bei der Mountainbike-WM in Livigno geht es auf die Zielgerade. In Führung liegen die Fumic-Brüder Lado und Manuel aus Kirchheim/Teck. Der Abstand zu den Verfolgern ist groß genug. Die Zuschauer halten den Atem an. Was wird geschehen? Werden die beiden in einen gnadenlosen Sprint gehen? Wird einer dem anderen den Vortritt lassen? Ihm den Titel schenken? Werden trotzdem beide jubeln? Über Gold und Silber?

Lado Fumic schüttelt den Kopf. Diese Szene möchte er sich gar nicht vorstellen. Nicht heute. „Das wäre doch ein Luxusproblem“, sagt er, „die Fumic-Brothers Erster und Zweiter bei der WM – das wäre doch die Sensation.“ Manuel Fumic denkt ein bisschen länger nach. „Ich würde dich trotzdem vorlassen“, sagt er dann, „denn ich war schließlich schon mal Weltmeister.“ Ehrliche Worte unter Brüdern.

Lado Fumic ist 29 Jahre alt, seit 2000 ununterbrochen deutscher Meister, zweimal EM-Zweiter, zweimal EM-Dritter, bei der WM einmal Vierter und Fünfter, bei Olympia 2000 Fünfter. Er ist Deutschlands bester Mountainbiker, obwohl ihm eine Medaille bei ganz großen Titelkämpfen fehlt. Manuel Fumic ist 23 Jahre alt, war von 2001 bis 2004 deutscher U-23-Meister und im vergangenen Jahr Welt- und Europameister in der Juniorenklasse. Deutschlands zweitbester Mountainbiker seit diesem Jahr, er wurde Vizemeister – hinter seinem Bruder. Bei dem Rennen im Juni in Albstadt hatte sich ein Absperrband in seinem Rad verheddert, der Bruder schaltete vorne einen Gang zurück, wartete – und gemeinsam fuhren sie zum Doppelsieg. Für dieses Warten hatte sich Lado den Titel verdient.

Lado und Manuel Fumic machen gemeinsame Sache. Nicht nur im Rennen, aber da bekommen es ihre Gegner schmerzhaft zu spüren. „Mountainbike ist ein Einzelsport, bei dem jeder nach sich schaut“, sagt Lado Fumic, „zu zweit können wir die Gegner schockieren – und dann sind wir unberechenbar.“ Manuel Fumic sagt: „Zu zweit kann man viel mehr machen. Ausreißen zum Beispiel, ohne dass einem ständig einer hinten gegen das Rad fährt.“ So haben sie in diesem Jahr schon Rennen gewonnen, aber auch verloren. Wie vergangene Woche, als die Marathon-WM in Norwegen mit einem taktischen Fehler des Jüngeren begann und mit den Plätzen 23 und 25 endete. Ein Vorteil: Enttäuschung ist bei den Fumics immer Enttäuschung geteilt durch zwei – und deshalb halb so schlimm. Behaupten sie jedenfalls.

Die Fumic-Brüder sind füreinander da. Im Rennen, auch im Training. „Wir müssen ja jeden Tag aufs Rad“, sagt Manuel Fumic, „da ist es gut, wenn man jemanden hat, der einen hochpuscht und den man hochpuschen kann.“ Da geht es den beiden Profi-Mountainbikern nicht anders als Hobbysportlern, denen manchmal der Antrieb fehlt. Und geschäftlich sind Lado und Manuel Fumic sowieso ganz eng verbunden. Seit diesem Jahr firmieren sie unter dem Namen „Fumic Brothers International“ als eigener Rennstall, davor waren sie ans T-Mobile-Mountainbike-Team gebunden. „Wir haben uns zur richtigen Zeit von Magenta abgewandt“, sagt Lado Fumic. Der Ältere ist der Geschäftsmann, der eloquente Verkäufer, derjenige, der die geschäftlichen Schlüsselparolen ausgibt. „Wir machen die Bruder-Story“, sagt er also, „Family-Business. Die Entwicklung ist bombastisch.“

Die Bruder-Story also. Zwei Mountainbiker, eine Erbmasse. Gemeinsame Sache. Sportlich, braun gebrannt, erfolgreich. Gekommen aus dem Nichts. Söhne eines kroatischen Gastarbeiter-Ehepaars. Selfmademen in schlichten schwarzen und weißen Trikots. „Wir passen nicht ins Nullachtfünfzehn-Image“, sagt Lado Fumic, „wir sind keine gemachten Sportler, wir sind selbst die Macher – und im Mountainbike-Sport momentan State of the Art.“ Dazu hat man früher Nonplusultra gesagt. Zugegeben: Solche Sätze klingen ein bisschen wie aus einem Marketinghandbuch. Und unbescheiden dazu. Aber der Erfolg gibt den Fumics Recht. 1.200 Mountainbike-Interessierte haben ihren Newsletter abonniert, sie haben einen festen Stamm von größeren und kleineren Sponsoren, bekommen Anfragen von verschiedensten Unternehmen. Überhaupt: Da haben zwei Jungs mit dem, was sie am liebsten tun, ein eigenes Geschäft aufgezogen, von dem sie leben können. Das allein macht sie schon anders als andere.

Das Kerngeschäft sind dennoch die Rennen. „Den Leuten gefällt es, wie wir dort auftreten“, sagt Manuel Fumic. Der Konkurrenz passt der selbstsichere Auftritt weniger. Fahren die Fumic-Brothers mal nicht vorneweg, findet das keiner wirklich schlimm. Und gespannt sind alle auf die nächsten Jahre, wenn Lado immer älter wird und Manuel immer besser. Ob der Kleine dann mal den Vortritt bekommt? Eigentlich kein Wunder, dass die beiden in dieser Frage zusammenhalten. „Ich werde in jedem Fall bis Peking 2008 fahren und dann noch ein, zwei Jahre dranhängen“, sagt Lado Fumic, „aber unsere Story geht immer weiter.“ Manuel Fumic denkt wieder ein Stück weiter. „Wenn ich einen Coach bräuchte, könnte ich mir keinen besseren als Lado vorstellen“, sagt er.