Nicht verpassen!
: Im Ohr der Macht

„Die Flüsterer“, 23.30 Uhr, WDR

Eine Kunst in Echtzeit. Fast so wie ein Saxofonsolo von Coltrane. Und doch auch ein Geschäft mit klaren Grenzen zwischen richtig und falsch. Denn Wörter, das wissen wir vom Kinderspiel Stille Post, können ganz schön von der Bahn abkommen. Knapp daneben, weit vorbei. David Bernet und Christian Beetz widmen ihre Dokumentation „Die Flüsterer“ einem wenig visuellen Gewerbe: den Simultandolmetschern, Knöpfen in den Ohren der Macht. Oder auch nur auf einer internationalen Sprinklerkonferenz in anonymen Messehallen. „Sie haben irgendwo ein Feuer in der Nähe des Bodens, dann entwickeln sich heiße Gase, die haben ein spezifische Masse und eine spezifische Geschwindigkeit“, liest etwa Angela Drösser indischen Ingenieuren von den Lippen.

Der flüchtige Fehler ist der größte Feind der Dolmetscher. „In der Epoche des Computers sind geschriebene Fehler mit einem Tastendruck behoben“, weiß etwa Michel Lesseigne, regelmäßig die deutsche Stimme des französischen Präsidenten Jacques Chirac. In einer Simultanübersetzung bleibt ein solcher Fehler auf ewig in der Luft stehen: „Das Wort kommt raus, ist gesagt und bleibt dabei.“ Und so soll es umgekehrt schon Dolmetscher gegeben haben, deren bewusst beschönigende Translationen Kriege verhindert haben. Oder zumindest nachhaltige Verstimmungen.

Schauspieler seien sie, erzählen viele der interviewten Dolmetscher. Entfremdete Existenzen, die mit fremden Zungen sprechen. Patricia Vander Elst zum Beispiel war als junge Studentin Simultandolmetscherin bei den Nürnberger Prozessen. Viel getrunken habe sie während dieser Zeit. Oder ihr Trick mit der Haarnadel. Ein kleiner Stich an der richtigen Stelle konnte nämlich die fragile Mikrofonanlage des Gerichtssaals außer Kraft setzen. Als letzter Ausweg, wenn auch der Dolmetscherin ob der Unfassbarkeit des Gehörten die Worte gefehlt haben.

Der angenehm zurückgenommene Film „Die Flüsterer“ hört einmal jenen zu, die üblicherweise viel reden – und doch nichts von sich preisgeben dürfen. Die wahrgenommen werden, so Michel Lesseigne, wie ein technisches Utensil: „Wenn einer von uns mal einen Aussetzer hat, schimpfen die Leute meistens auf ihren Kopfhörer und haben längst vergessen, dass da ein Mensch am anderen Ende der Leitung sitzt.“ CLEM