Unsere Leiche lebt länger

Unnütze Technik (4): Heute startet die Internationale Funkausstellung. Wieder mit dabei: das untote DAB-Radio

Lange habe ich überlegt: Soll ich oder soll ich nicht? – Was? – Na Leichen fleddern! Eigentlich habe ich an dieser Stelle über Jahre nämlich schon alles geschrieben, was es zu DAB zu sagen gibt, zum Digitalradio nach dem Standard „Digital Audio Broadcasting“, der nach dem Willen der Industrie, der bayerischen Medienpolitik und diversen anderen Apologeten schon seit 1999 unser aller UKW-Radio ablösen soll. „Dead and buried“ hatte schon vor Jahren ein Kollege die Abkürzung DAB aufgefüllt und gefragt, warum ich immer noch darüber schreibe. In der sonstigen Presse ist ja auch kaum was drüber zu lesen. Zeilengeldschinden bei der taz lohnt sich jedenfalls nicht. Doch da war dann die Netzeitung, die diese Serie „verdienstvoll“ nannte, und die Website www.1000augen.com freute sich, dass unsereins unnütze Techniken „verblüffend verständlich erklärt“. Ich seh mich also noch mal in der Pflicht: was also ist DAB? Was spricht dafür?

DAB ist ein digitales Radiosystem, das von deutschen Ingenieuren schon vor mehr als zwanzig Jahren entwickelt wurde und seit 1995 über die Funkausstellung geistert. Seit 1999 ist es im Regelbetrieb, sprich, man kann die bis vor kurzem sündhaft teuren Empfangsgeräte auch käuflich erwerben. DAB bietet hohe Digitalqualität, damit Sie den Dudelfunk in bestmöglichem Dynamikumfang empfangen können. Sorry, Privatsender sind fast kaum noch dabei? Stimmt, aber wer so manche öffentlich-rechtliche Welle hört, der wird in Sachen Dudelfunk auch nichts vermissen.

DAB bietet Super-Audioqualität, aber Ihren Empfänger müssen Sie selbst ans Fenster stellen oder an die Dachantenne ankoppeln, weil die Hörfunkwellen sonst von den Hausmauern abgeblockt werden. „Na ja“, sagt die Industrie, „wir haben das System auch für den mobilen Empfang bei hohen Geschwindigkeiten optimiert.“ Okay. Also CD-Qualität bei 200 Sachen in der scheppernden Blechkiste.

„DAB bietet mittelfristig die Möglichkeit, mehr Hörfunkprogramme als in UKW zu verbreiten.“ Gut: mindestens 18 Stereo-Programme, wenn da nicht die Telekom die Frequenzen für eine andere Spielerei namens DMB benötigt. Das ist die Übertragung von TV-Bildern. Mobil auf dem Handy empfangbar bei mehr als 200 km/h, versteht sich. Das kostet Frequenzen für mindestens sechs Hörfunkprogramme.

„Aber in England ist DAB das ganz große Ding. Dort sind bis Ende 2004 schon mehr als eine Million Empfangsgeräte verkauft worden“, sagt die DAB-Lobby. Aber was jucken uns die gemeinen Inselaffen? Maßgeblich ist da allenfalls einer. Bloß: hatte James Bond im Paradebeispiel deutscher Ingenieurskunst, seinem Dienst-BMW, ein DAB-Autoradio von Blaupunkt? Na eben.

Jürgen Bischoff