: Witzfiguren aus Bayern
Die Ausstellung „Schwermut und Leichtigkeit“ widmet sich Leben und Werk Helmut Dietls – dem wohl größten deutschen Komödienregisseur der Nachkriegszeit
Von Andreas Hartmann
Ausgerechnet in Berlin wird nun der Nachlass von Helmut Dietl verwaltet, der vor drei Jahren gestorben ist. Die Witwe des deutschen Regisseurs, Tamara Dietl, hat diesen der Deutschen Kinemathek überlassen. 250 voll bepackte Umzugskartons sollen da in Berlin angekommen sein, voll mit Skizzen und Manuskripten, die der als Perfektionist bekannte Dietl im Laufe seiner Karriere angefertigt hatte. Um das alles zu sichten, brauche man sicherlich bis zu vier Jahre, gab die Kinemathek bekannt. Dass man über diesen Schatz verfügt, wird jedoch jetzt schon in der Ausstellung mit dem Titel „Schwermut und Leichtigkeit“, die ganz dem Leben und Werk Dietls gewidmet ist, in der Kinemathek gefeiert.
Das Erbe Dietls ist nun in der Stadt seines größten Scheiterns angekommen. Der Regisseur, der eigentlich zu München gehört wie das Oktoberfest und die Bavaria, wollte noch einmal neu beginnen, als er seinen Film „Zettl“ konzipierte, der sein letzter werden sollte und der 2012 in die Kinos kam. Er hätte die Fortsetzung von „Kir Royal“ werden sollen, dieser großen deutschen Serie aus den Achtzigern, mit der Dietl endgültig zum Star wurde. „Kir Royal“ war eine München-Serie, wie sie kaum münchnerischer sein konnte. Dieser einen neuen Dreh zu geben, Jahrzehnte später, in einer anderen Stadt, war ein interessantes, aber auch wagemutiges Unterfangen. Bei dem dann auch so ziemlich alles schiefging, was schiefgehen konnte.
Franz Xaver Kroetz, der den Schmierenreporter Baby Schimmerlos in „Kir Royal“ so bestechend spielte und auch bei „Zettl“ mit dabeisein sollte, wollte plötzlich in das Drehbuch von Dietl reinpfuschen, stellte Bedingungen, sodass der genervte Regisseur irgendwann auf diesen lieber verzichtete. Außerdem hatte Dietl, der große Helmut Dietl, große Probleme, sein geplantes Werk überhaupt angemessen finanziert zu bekommen. Letztlich entstand aus dem ganzen Chaos dann ein Film, der von der Kritik über alle Maßen verrissen wurde, was den bereits an Krebs erkrankten Dietl in Depressionen stürzte. Kurz vor seinem Tod bekam der Verbitterte noch eine Ehren-Lola als eine Art Wiedergutmachung überreicht. Immerhin in Berlin.
Die Dramen am Ende einer so erfolgreichen Karriere verstellten in den letzten Jahren sicherlich ein wenig den Blick auf Dietls Werk. Die Ausstellung in Berlin ist somit ein guter Weg, den wohl größten Komödienregisseur aus Deutschlands Nachkriegszeit wieder so zu würdigen, wie er es verdient hat. „Kir Royal“ ist natürlich sowieso Kult und neben Edgar Reitz’ „Heimat“-Zyklus die beste deutsche Fernsehserie aller Zeiten, und das, obwohl sie in einer Ära entstanden ist, in der Fernsehserien noch nicht als das bessere Kino galten, wie das heute der Fall ist.
Senta Berger, Ruth Maria Kubitschek und Dieter Hildebrandt waren neben Franz Xaver Kroetz zu erleben und Stars wie Mario Adorf, dessen Satz „Ich scheiß dich so was von zu mit meinem Geld“ bis heute unvergessen ist. In einem kleinen Best of, das in der Kinematek zu sehen ist, bekommt man noch ein paar weitere solcher Szenen- und Dialogknaller aus Dietl-Werken zu sehen.
Nach „Kir Royal“ wurde in den Neunzigern aus dem großen Fernsehmacher dann der große Kinoregisseur Dietl. „Schtonk!“, der für den Oscar nominiert wurde, „Rossini“ und „Late Show“ wurden allesamt künstlerische und kommerzielle Erfolge. In einer Zeit, in der deutsche Filmkomödien wie „Manta, Manta“ florierten und bewiesen, dass deutscher Humor zu Recht einen schlechten Ruf genießt, zeigten diese Filme, dass es auch anders gehen kann in diesem Land.
In der Berliner Dietl-Ausstellung kann man sich dankenswerterweise noch einmal alle diese Filme des Meisters in der Mediathek ansehen. Man kann noch einmal erleben, wie scharf und genau Dietl vor allem Gernegroße und Wichtigtuer skizzieren konnte. Wie er den Skandal um die angeblichen Hitler-Tagebücher in „Schtonk!“ sezierte und die anhaltende Faszination der Deutschen für den Gröfaz aufs Korn nahm. Oder wie er das Ausmaß des heutigen Promi-Wahnsinns bereits in „Rossini“ vorausahnte.
Vielleicht wirken Dietls Milieustudien aus heutiger Sicht, wo man sich schon fragen muss, ob man über eine realsatirische, aber auch wirklich monströse Gestalt wie Donald Trump noch wirklich lachen sollte, etwas pusemuckelig. Doch wenn man andererseits erlebt, wie sich gerade ein paar Witzfiguren aus Dietls Heimat Bayern gerade benehmen, bekommt man wiederum den Eindruck, dass das, was da gerade als sogenannter Unionsstreit aufgeführt wird, auch direkt aus einer Satire von Helmut Dietl stammen könnte. Der Markus Söder und der Alexander Dobrindt sind jedenfalls Figuren, die lustige Sätze von sich geben, wie sie sich auch Helmut Dietl hätte ausdenken können.
„Schwermut und Leichtigkeit – eine Sonderschau für Helmut Dietl“ in der Deutschen Kinemathek, Potsdamer Str. 2, läuft noch bis zum 30. 9. Mi. bis Mo. 10 bis 18 Uhr, Do. 10 bis 20 Uhr, Di. geschlossen, 8/5 €
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