Alle Menschen mögen mich

NACHWUCHS Gezwungen zur Euphorie: Hamburgs neue Pophoffnung Die Heiterkeit gastierte am Mittwoch im proppenvollen Monarch

Dunkel, verraucht und sexy. Und unglaublich voll. So ist es an diesem Mittwochabend, und die neuste Hoffnung aus der tot geglaubten Hamburger Schule, eine Frauenband namens Die Heiterkeit, spielt zum bewegungsarmen Tanz auf, hier oben mit Blick auf den Kotti in der Bar mit dem passenden Namen Monarch.

Die Heiterkeit wohnen auch tatsächlich in Hamburg, die Band besteht aus Stella Sommer (Gesang, Gitarre), Rabea Erradi (Bass, Gesang) und Stefanie Hochmuth (Schlagzeug). Dies sind wahrscheinlich Decknamen. Wer oder was genau dahinter steckt, wird nicht klar, was aber auch egal ist. Die Heiterkeit spielen an diesem Mittwochabend im Monarch ein zwangsläufig unbeeindrucktes, lakonisches Set. Sie fangen einfach irgendwo an, spielen ihre Songs einen nach dem anderen und hören irgendwann wieder auf, keine Zugabe, nichts.

Ärmlich, aber gut bekleidet

Drei gut gekleidete, unbeeindruckte Frauen. Die traurigste Schlagzeugerin, die man je gesehen hat, und die, sobald sie die Drumsticks sinken lässt, gar nicht mehr traurig wirkt (sie arbeitet im Hamburger Szeneladen „Uebel und Gefährlich“, hört man). Eine Bassistin, die freundlich wirkt, und eine Art intellektueller Vamp als Sängerin. Mit einer Stimme, die „unheimlich jung und unheimlich alt“ (Bandinfo) klingt, wie die von Nico, die in den sechziger Jahren von Köln aus erst eine Model-, dann eine kleine Schauspielerinnen-, schließlich eine weltumspannende Sängerinnenkarriere gemacht hat.

Die Zeiten heute sind freilich ganz andere, hier schielt niemand mehr auf den italienischen Neorealismus oder die frische Pop Art. Die glamourösen Jahre sind vorbei. Stella Sommer singt mit ihrer tiefen, sehr guten Stimme Sentenzen, die sie in ein schummriges Licht setzen. Gleichzeitig sind Bewegungsarmut und Lakonie so dominierend, dass alles immer wieder zurückgenommen werden kann. „Alle Menschen mögen mich.“ Oder: „Die Liebe eines Volkes hat mich zur Königin gemacht.“ Man spielt ja schließlich im Monarchen auf. Und die Liebe zur Monarchie durchwandert ja schon seit einiger Zeit den verarmten Hochadel der deutschen Popmusik.

Musikalisch klingt das in etwa so, dass man sich zur Euphorie erst zwingen muss. Musik aus verstaubten Jahren. Entschleunigt, einfach strukturiert, nie aufdringlich. Etwas Gitarre, viel Bass, ein trauriges Schlagzeug. Ihre Musik klingt entfernt nach Britta, weniger nach Ja, Panik, auf deren eigens gegründeten Label Nein Gelassenheit „Herz aus Gold“, das Debütalbum von Die Heiterkeit erschienen ist. „Alles ist so neu und aufregend, wir trinken in der Bar“, texten sie. Eigentlich ist fast das Gegenteil gemeint, was auch nicht ganz stimmt.

Aber wie es so ist bei einer verdammt schlau ausgedacht erscheinenden Band, nicht alles ist schon reif. Das Stück etwa, in dem „Romeo“ besungen wird, ist nicht weit von Schülerinnenlyrik entfernt, und auch nicht weit weg von Schülerinnenband. Mit dem nächsten Stück und den nächsten paar Sentenzen, die so nonchalant in den Raum gesungen werden, machen sie wieder alles gut. Der Monarch ist verraucht und sexy. Voll mit den ewigen und künftig gut Informierten, gleichzeitig aufgedreht, weil jung, und entschleunigt, weil alt. Diese kleine Qualitätseinbuße fällt nicht ins Gewicht.

Irgendwann, es ist nicht einmal halb elf, endet das Konzert. Eine Zugabe gibt es nicht, es wird auch keine gefordert. Das Publikum ist zufrieden mit dem, was da ist. Eher selten so was.

„Alles ist so neu und aufregend, wir ficken am Kanal“ ist übrigens ein falsch verstandener Text. Es heißt „Blumen pflücken am Kanal“. Obwohl, ganz so sicher kann man sich da nicht sein.

RENÉ HAMANN