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heute in hamburg„Wir brauchen Investitionen“

Foto: privat

Elias Gläser, 31, ist Mitglied der Fachschaftsrätekonferenz der Universität Hamburg und Mitinitiator der Kampagne zur Schulden- und Vermögensuhr.

Interview Mareen Butter

taz: Deutschlands Staatsschulden sanken in den letzten Jahren – wofür braucht es da eine Schuldenuhr, Herr Gläser?

Elias Gläser: Nur die Schulden des Bundes sanken leicht und das ist bitter erkauft: Dadurch, dass Deutschland die Folgen der Finanzkrise einfach auf andere Länder der Euro-Zone abgewälzt hat und dass vom Schuldendienst die Reichen noch reicher gemacht werden, während die materielle Substanz einer gedeihenden Gesellschaft Schritt für Schritt auch hier zerstört wird. Vor allem sind nicht die Schulden das Problem, sondern die unregulierte Bankenmacht.

Auch in Hamburg?

In Hamburg steigen die Schulden stetig – laut dem Statistischen Bundesamt aktuell um 67 Euro pro Sekunde. Das Vermögen der reichsten zehn Prozent wächst hingegen um 230 Euro pro Sekunde. Hamburg hat damit eine Verschuldung von 39,4 Milliarden Euro, während die reichsten zehn Prozent der Hamburger 193,8 Milliarden besitzen. Schon mit der ersten Uhr wollten wir deshalb ein Ermutigungssignal setzen, doch die Uhr fiel 2016 einem Brandanschlag zum Opfer.

Wollten die HamburgerInnen die Schuldenuhr nicht?

Wir hatten sehr polarisierende Reaktionen, was auch beabsichtigt war. Die Leute haben sofort wissen wollen, was wir damit ausdrücken wollen. Viele fanden großartig, dass endlich mal jemand das Missverhältnis von Oben und Unten so auf den Punkt bringt. Wir haben auch viel Unterstützung aus der Uni erhalten. Die, die sich an der Uhr ausgetobt haben, waren meist solche, die gern behaupten, dass es sich dabei nur um eine „Neiddebatte“ handele.

Ist an der These was dran?

Nein. Manchen Leute fällt es nur offenbar sehr schwer, außerhalb egoistischer Kategorien zu denken. Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen auf Steueroasen geparkten Milliarden und sozialen Investitionen. Ersteres wird einer Volkswirtschaft entzogen zum privaten Vorteil, letzteres wird sofort wieder ausgegeben, befördert die Produktivität und kommt somit allen zu Gute. Als wir die erste Uhr 2011 aufstellten, war das auch, um auf die dramatische Lage in Griechenland aufmerksam zu machen. Zeitgleich hatten wir an der Uni viel mit Sparpolitik zu tun.

Das ist einige Jahre her – warum jetzt eine zweite Uhr?

An der Problematik der Schuldenbremse hat sich nichts verändert. Wir brauchen Investitionen in Bildung, Kunst und Wissenschaft, Infrastruktur und soziale Verbesserungen für die gesellschaftliche Entwicklung und keine Sozialkürzungspolitik. Die befördert den Aufstieg der Rechten, wie man sehen kann. Die Zeit ist reif, diese Politik zu beenden.

Wiedereröffnung der Schulden- und Vermögensuhr: 17 Uhr, Vorplatz des Uni-Hauptgebäudes, Edmund-Siemers-Allee 1

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