Beate Schederschaut sich in Berlins Galerien um:
Seltsame Industriebauten hat Torsten Slama in chinesisch anmutende Felsenlandschaften verpflanzt: Eine reaktorähnliche „Elixierfabrik“ ist darunter, eine „Hydrolasestation“ oder die „Elektronik-Fachschule Neutopia“. Die sechs kleinformatigen Bilder, die momentan bei Kimmerich zu sehen sind, wirken, als handle es sich um Abbildungen einer Parallelrealität, so akkurat sind sie gezeichnet, gleichzeitig so surreal wie Kulissen eines retrofuturistischen Sci-Fi-Films. So oder so: Menschen haben dort offenbar nichts verloren, stattdessen kann man beim genaueren Hinsehen comichafte Tierchen in Schutzkleidung ausmachen (bis 13. 7., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Weydingerstr. 6).
Derlei Maskerade hat der moderne Mensch, dessen gespaltenem Ich sich die Gruppenausstellung „I Am Large, I Contain Multitudes“ in der Galerie Wedding widmet, gar nicht mehr nötig, so sehr ist ihm das Spiel mit den Persönlichkeiten, den mannigfaltigen Codes der Selbstinszenierung inzwischen in Fleisch und Blut übergangen. Absurd eigentlich, dass noch immer Authentizität als Ideal gilt. Kuratorin Nadia Pilchowski lässt in der Schau Hanne Lippard, Lauryn Youden, Donna Huanca, Marco Bruzzone, Liping Ting, Grace Weaver, Ed Fornieles und FORT über solche Paradoxien eines zeitgenössischen Lifestyles reflektieren, in dem selbst Spiritualität zum Mechanismus der Selbstoptimierung mutiert. Haben sie ein Rezept parat, wie es nun gehen soll, dieses sinnstiftende, echte Leben? Natürlich nicht (bis 15. 7., Di.–Sa. 12–19 Uhr, Müllerstr. 146/147; Performance von Liping Ting am 24. 6., 16 Uhr).
Auf ähnlichen Pfaden ist das Kunstfestival 48 Stunden Neukölln unterwegs, das am Wochenende zum 20. Mal vonstattengeht. „Neue Echtheit“ lautet das Thema im Jubiläumsjahr. Die zentrale Ausstellung zieht dafür in ein leeres Gebäude an der Karl-Marx-Straße, wo sich einmal die Sparkasse befunden hat. „Bank, Blank“ lautet entsprechend der Titel der von Ece Pazarbasi und Stephan Klee kuratierten Gruppenschau. Ganze 25 künstlerische Positionen versammeln die beiden dafür, darunter Halil Altindere, Maurice Doherty, Ivana Franke und Caroline Kryzecki. Dass die Frage nach Echtheit in der Kunst eine kniffelige Angelegenheit ist, wissen wir schließlich spätestens seit Magrittes „Ceci n’est pas une pipe“. Pazarbasi und Klee sortieren die zeitgenössischen Antworten zur besseren Übersicht in drei Sektionen, die sich auf Material, Körperlichkeit sowie Fakten und Fiktionen konzentrieren. In echt zu sehen ab Freitag (Eröffnung: 22. 6., 19 Uhr, Sa., 23. 6. 12–02 Uhr, So., 12–19 Uhr, 26. 6.–1. 7. 12–18 Uhr, Alfred-Scholz-Platz 1).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen