Mann der kurzen Filme

Der junge Bremer Regisseur Leonardo Re hat Kurzfilme in Genres wie Komödie, Experimental- und Horror-Film gemacht. Nicht auf alle ist er stolz, aber an neuen Ideen mangelt es dem 27-Jährigen nicht

Kurzfilmtalent auf dem Weg in die Hauptstadt: Leonardo Re Foto: Michael Bahlo

Von Wilfried Hippen

Etwa 20 Kurzfilme hat der 27-jährige Leonardo Re in den letzten zehn Jahren gedreht, aber viele davon hat er nie öffentlich gezeigt. Auch seine erste halbwegs professionelle Arbeit, der Kurzspielfilm „Autsch! – Ein Banküberfall wie kein anderer.“, ist ihm heute ein wenig peinlich. Dabei ist diese 28 Minuten lange Kriminalkomödie mit einem Antihelden, der immer nur Pech hat und dennoch versucht, eine Bank zu überfallen, zwar alles andere als perfekt, aber auch nie langweilig und eine überzeugende Talentprobe. Gesehen hat ihn kaum jemand, aber das ist nun mal so bei Kurzfilmen. Re selber würde sich freiwillig auch nicht die Kurzfilme von anderen Leuten ansehen, sagt er – und Geld könne man damit schon gar nicht verdienen.

Da muss das Filmemachen für ihn wohl eine Leidenschaft sein. Dabei ist Re kein typischer Filmenthusiast, der schon im Kinderzimmer krude Kopien von Lieblingsfilmen gedreht hat. Bei ihm zuhause gab es keine Kamera und erst als 17-Jähriger landete er eher zufällig während eines Auslandsjahres in Australien in einer Filmklasse, in der er dann sein erstes Werk, einen „Actionfilm ohne Story“ drehte.

Nach dem Abitur machte Re dann ein Praktikum beim Bremer Filmbüro und schnupperte in den verschiedenen Gewerken des Filmemachens herum, denn ihn reizt vor allem die technische Seite des Filmemachens. Eine handwerklich solide Ausbildung bekam er an der MetFilmSchool in London, wo er in zwei Jahren für 30.000 Pfund Schulgeld soviel über Schnitt, Kamera, Ton, Produktion und Regie lernte, dass er nicht nur mit einem Bachelor, sondern auch mit einem Abschlussfilm nach Deutschland zurückkam, der von der Filmbewertungsstelle das Prädikat „besonders wertvoll“ bekam und auf Filmfestivals in Rumänien und Russland eingeladen wurde.

Obwohl in London und in englischer Sprache gedreht, heißt der Film „Wasser“ und allein dies ist angesichts der vielen deutschen Filme mit vermeintlich coolen englischen Titeln schon mal sympathisch. „Wasser“ ist zwar ein Experimentalfilm, aber überhaupt nicht sperrig oder prätentiös. Erzählt wird darin in assoziativen Impressionen von einem Mann, der zunehmend in Apathie versinkt. Ein Sinnbild dafür ist sein immer gleiches Mittagsmal von Sauerkraut, dessen leere Gläser langsam die Küche füllen.

Re wäre nie auf die Idee gekommen, einen Experimentalfilm zu machen, aber das Drehbuch seines Freundes Tim R. Gloystein überzeugte ihn, dass er sich auf das Experiment einließ. Ein Grund dafür war auch, dass er so klug war, zu erkennen, dass andere besser Drehbücher schreiben können als er.

Doch er hat gute Ideen, wie etwa jene von einem Mann, der in einem Hotel Selbstmord begehen will, sich dabei aber extrem ungeschickt anstellt: Mit dem Fön geht er nicht in die Wanne sondern unter die Dusche, anzünden will er sich mit den paar Tropfen Benzin eines Feuerzeugs und vergiften will er sich mit Seife. Für das tödliche Happy End sorgen dann ein paar Killer, die sich in der Zimmertür geirrt haben. „Darwin Lynch“ heißt diese zehn Minuten lange böse Komödie, die stimmig und mit Timing inszeniert ist, deren Drehbuch aber, wie Re heute sagt, „zusammengehakt“war.

Dass er komisch sein kann, bewies er auch mit seinem improvisierten Kurzfilm „Gespräche mit Günther Gelb“, den er vor zwei Jahren für einen Wettbewerb des 2. Bremer Filmfests drehte. Die Filme für die „Klappe! 2016“ mussten innerhalb von 48 Stunden produziert werden und Re wollte eine Parodie auf die Talkshows der 60er-Jahre machen. Er ließ dafür vier Bremer SchauspielerInnen, denen er davor nur kurze Notizen über ihre Charaktere gegeben hatte, ein Gespräch improvisieren, das immer absurder wird bis schließlich alle wild durcheinander schreien. Der Film gewann den Wettbewerb, bekam aber von der Filmbewertungsstelle kein Prädikat, weil er ein Versuch sei, Loriot zu kopieren. Re versteht das als Kompliment.

Re hat sich entschieden, nach Berlin zu ziehen und dort zu versuchen, endlich seinen ersten langen Film zu inszenieren

Sein neuster Kurzfilm „Incubo“ ist der erste, den Re mit Fördermitteln der Nordmedia und dem Bremer Senator für Kultur finanzierte. Er ist auch sein bisher aufwendigstes und ambitioniertestes Werk: ein historischer Horrorkurzfilm. Ein kurzer Prolog spielt im Jahr 1810 in einer Waldhütte, deren Bewohner von einem Lynchmob zu Tode gehetzt wird, weil er Kinder getötet und gegessen haben soll. Im März 1945 suchen zwei Geschwister in der gleichen Hütte Unterschlupf. Die Waisen sind auf der Flucht und schnell ergreift der böse Geist des Ortes Besitz von der älteren Schwester.

Gedreht wurde tatsächlich in einer Hütte im Wald, mit zwei noch sehr jungen Darstellern. Re zeigt hier, dass er auch in die Trickkiste dieses Genres greifen kann: da reicht es etwa schon aus, wenn Dana Herfurth sich ihre langen, roten Haare ins Gesicht hängen lässt, um aus ihr einen Besessene zu machen. „Incubo“ hatte vor ein paar Wochen seine Premiere in Bremen und Re reicht ihn jetzt bei verschiedenen Filmfestivals ein.

Sein Geld hat Re bis jetzt als Partner in einer Werbefirma mit Image-, Produkt- und Industriefilmen gemacht, aber die Arbeit langweilt ihn. Deshalb hat er sich entschieden, nach Berlin zu ziehen und dort zu versuchen, endlich seinen ersten langen Film zu inszenieren. Kurzfilme will er keine mehr machen, aber er hat dann doch schon eine Idee für den Nächsten.