Brigitte Denck über eine erhitzte Twitter-Debatte, ausgelöst durch das Helmvideo eines Fahrradfahrers: „Suizidradler“ oder vorsätzliche Gefährdung?
Auf Twitter wird heftig diskutiert über einen Vorfall am Freitagmorgen. Ein Fahrradfahrer filmte mit seiner Helmkamera zwei vor ihm fahrende Radler, die an einer Baustelle in eine gefährliche Situation gerieten. Das Video wurde auf Twitter hochgeladen und bis Montagnachmittag 74.000-mal angesehen.
Man sieht dort die Greifswalder Straße, eine der Hauptverkehrsadern im Ostteil der Stadt, im morgendlichen Berufsverkehr. Ein Lkw mit Anhänger, insgesamt fünfachsig, befährt die rechte der zwei Spuren. Auf dem Radweg daneben zieht ein Radfahrer schnell an dem Lkw vorbei. Plötzlich verengt sich die Fahrbahn einspurig wegen einer Baustelle.
Weiter vorne ist ein zweiter Fahrradfahrer zu sehen, der dem mit gelben Markierungen umgeleiteten Radweg folgt. Es scheint, als fahre der Lkw mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Man erkennt gut, wie eng es für die beiden Radfahrer wird. Das kann man ruhig im doppelten Sinne verstehen, denn ein kleiner Schlenker hätte sie vermutlich das Leben gekostet.
Auch die Berliner Polizei wurde auf das Video aufmerksam und suchte über Twitter nach den beiden Radfahrern. Einer der beiden habe sich mittlerweile als Zeuge gemeldet, so ein Polizeisprecher. Auch der 65-jährige Lkw-Fahrer sei ermittelt. Es müsse jedoch erst geprüft werden, inwieweit tatsächlich eine Verkehrsgefährdung vorgelegen habe. Dazu müssten die örtlichen Gegebenheiten begutachtet und Zeugen befragt werden, so der Sprecher. Das Video reiche dafür nicht aus. Zudem müsse die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob es als Beweismaterial zugelassen werden kann.
Auf Twitter streitet man sich derweil darüber, wessen Schuld es gewesen wäre, wäre es in der gefilmten Situation zu einem Unfall gekommen. Deren Bewertungen sind dabei sehr unterschiedlich: Es geht da um vorsätzliche Gefährdung von Radlern, deren Verzicht auf Rechte, um das „eigene Leben zu wahren“, um „bandwurmbreite Radwege auf Bürgersteigen“ und „absolut lebensmüde Suizidradler“.
Der Pressesprecher der Polizei hält sich in der Schuldfrage bedeckt: Man müsse sich im Straßenverkehr so verhalten, dass man andere nicht gefährde, sagt er. Grundsätzlich seien aber alle Verkehrsteilnehmer nicht nur aufgefordert, Rücksicht auf die Schwächeren zu nehmen, sondern das sei ihre Pflicht.
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