Nur Gäste, keine Bürger

Ein Viertel der MigrantInnen in Hamburg ist arbeitslos. Ein Netzwerk soll jetzt die Kooperation der norddeutschen Organisationen fördern, um sie besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren

von Christoph Behrends

Die Zahl arbeitsloser MigrantInnen ist seit Jahren alarmierend hoch. Durchschnittlich waren 2004 laut Statistischem Bundesamt bundesweit doppelt so viele AusländerInnen arbeitslos wie Deutsche – allein in Hamburg 20,1 Prozent. Im Juli dieses Jahres stieg die Zahl sogar auf 26,9 Prozent. „Viele MigrantInnen sind unterqualifiziert“, erklärt Gesine Keßler. „In Zeiten allgemeinen Arbeitsplatzabbaus“ seien sie daher besonders stark von den Folgen der Globalisierung, zum Beispiel der Konkurrenz durch Billiglohnländer, betroffen.

Keßler arbeitet beim Verein Weiterbildung Hamburg, der das im Juli gegründete Norddeutsche Netzwerk zur beruflichen Integration von Migrantinnen und Migranten (NOBI) koordiniert. Zwölf Organisationen aus Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern – aus Hamburg beispielsweise auch die Arbeitsgemeinschaft türkischer Unternehmer und Existenzgründer, die Bürgerinitiative ausländische Arbeitnehmer, die Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung oder das Diakonische Werk – haben sich dort zusammengeschlossen. Ihr Ziel: „innovative arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Modelle zur Vermeidung von Diskriminierung und Ungleichbehandlung zu etablieren“, wie es unter anderem in der NOBI-Darstellung heißt.

Diskriminierung ist nach wie vor ein Problem

Denn nicht nur mangelhafte Qualifikation ist ein Problem. „Wenig innerbetriebliche Aufstiegsmöglichkeiten und kaum Weiterbildungsangebote“ zählen für Bendix Klingeberg von der Bürgerinitiative ausländische Arbeitnehmer zu den Schwierigkeiten, mit denen MigrantInnen auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert sind. Und auch Diskriminierung spielt nach wie vor eine Rolle: „Menschen mit Migrationshintergrund haben zum Beispiel größere Schwierigkeiten, Kredite für Existenzgründungen zu bekommen“, sagt Keßler. Durch Öffentlichkeitsarbeit und Schulung will das Netzwerk Arbeitgeber, Behörden und Beratungsstellen auf solche Defizite aufmerksam machen.

Erstes NOBI-Ziel ist es dabei, einen Erfahrungsaustausch zwischen den Organisationen zu ermöglichen und voneinander zu lernen. Alle zwei Monate findet ein Treffen statt, wobei „wir schauen, welche Ansätze gut funktionieren und von anderen Trägern übernommen werden können“, so Keßler.

Spezielle Teilprojekte mit eigenen Zielvorgaben

Jeder Träger hat ein Teilprojekt, für das es eigene Zielvorgaben gibt. Für die Bürgerinitiative ausländische Arbeitnehmer ist dies zum Beispiel, Mitarbeiter von Arbeitsagenturen so zu unterstützen, dass sie individuelle Fähigkeiten wie Sprachkompetenzen, Flexibilität oder Risikofreudigkeit der MigrantInnen besser feststellen können, erläutert Keßler. „Bessere Berufsorientierungsangebote an allgemeinbildenden Schulen“ will laut ihrem Sprecher Wilfried Kominek die Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung schaffen.

Abgesehen von solchen strukturellen Maßnahmen steht auch die direkte Zielgruppenberatung auf der Agenda des Netzwerks. So ist beim Servicezentrum von Weiterbildung Hamburg ein spezielles Beratungsangebot unter der Fragestellung „Wie kann ich die Beratung so gestalten, dass mehr MigrantInnen an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen?“ geplant.

EntscheidungsträgerInnen sensibilisieren– auch das ist ein NOBI-Ziel. „Die Menschen werden immer noch als Gäste und nicht als Bürger dieses Landes betrachtet“, kritisiert Gesine Keßler. „Über Jahrzehnte ist nur in Ansätzen gelungen, eine offene Gesellschaft zu gestalten.“ Für sie ist es wichtig, den MigrantInnen nicht nur unter die Arme zu greifen. „Wir wollen sie in die Lage versetzen, selbst aktiv zu werden“, sagt Keßler.

Fachtagung „Zweisprachenkompetenz – Schlüssel zur beruflichen Integration“ am 26. September in der Handwerkskammer. Anmeldung unter www.weiterbildung-hamburg.de