Die kühle Dame der Bourgeoisie

Das Metropolis widmet der Schauspielerin Stéphane Audran eine Retrospektive. Sie ist so etwas wie das Alter Ego von Claude Chabrol

Von Wilfried Hippen

Von ihr blieben nicht die einzelnen Rollen, sondern ihre Ausstrahlung in Erinnerung: meist spielte Stéphane Audran auch eher Nebenrollen: kultivierte Damen des französischen Bürgertums, unterkühlt, nie besonders sympathisch – stattdessen meistens, und oft zu Recht, eine von den üblichen Verdächtigen.

Audran wirkte mehr durch ihre Präsenz als durch das, was ihre Rolle ihr vorgab zu tun oder zu sagen. In den 70er-Jahren schien sie im französischen Kino allgegenwärtig. Oder um es mit dem Titel eines Films zu sagen, durch den sie auch international bekannt wurde, und der in der Retrospektive im Metropolis-Kino zu sehen sein wird: Sie war die Verkörperung des „diskreten Charme der Bourgeoisie“.

Sie war die Muse von Claude Chabrol, mit dem sie von 1964 bis 1980 verheiratet war. Um die 20 Filme haben sie gemeinsam gedreht, zwischen „Les Cousins“ von 1959 bis „Betty“ von 1992. Beide werden auf der Retrospektive im Metropolis gezeigt, neben fünf weiteren der Filme, in denen Audran auch immer so etwas wie das weibliche Alter Ego von Chabrol war: Er und sie lebten gerne bürgerlich und hassten zugleich ihre Klasse. Sie waren immer souverän, ein wenig zynisch und eher Gehirn- als Gefühlsmenschen.

Liebenswert war Audran wohl nur in einem Film: In „Babettes Fest“ spielte sie 1987 eine französische Köchin in einem pietistischen Fischerdorf in Dänemark. Diese Rolle ist zwar eine ihre bekanntesten, aber zugleich so untypisch für sie, dass der Film in der Retrospektive wie ein Fremdkörper gewirkt hätte. Es ist also vielleicht ganz gut, dass er nicht gezeigt wird.

Zu sehen ist sie dagegen in Eric Rohmers Debütfilm „Im Zeichen des Löwen“, obwohl sie hier nur einen kleinen Auftritt hat. Der Film gilt, obwohl oder gerade weil er damals bei Presse und Publikum durchfiel, heute als ein Schlüsselwerk der Nouvelle Vague. Nur selten gezeigt wird auch der Psychothriller „Die Dame im Auto mit Brille und Gewehr“ von Anatole Litvak aus dem Jahr 1970, in dem sie ebenfalls in der zweiten Reihe spielt. Und das gleiche gilt für „Der Fall Serrano“ von Georges Sautner, aus dem Jahr 1977, einen Klassiker des französischen Kriminalfilms.

Der jüngste Film im Programm ist „Au petit Marguery“ von Laurent Bénégui aus dem Jahr 1995. Audran spielt darin eine von fünfzehn Gästen, die sich für ein letztes Essen in einem Feinschmeckerlokal treffen, dass nach 25 Jahren geschlossen wird. Audran arbeitete danach noch an einigen Filmen. Der letzte war „Das Mädchen aus Monaco“ aus dem Jahr 2008. Am 27. März dieses Jahres ist sie mit 85 Jahren in Paris gestorben.

Die Reihe beginnt am Freitag und läuft bis zum 27. Juni. Weil im Metropolis wenn möglich 35-Millimeter-Filmkopien gezeigt werden, laufen einige der Filme in deutschen Fassungen, andere als Originalversion – meist mit deutschen, zweimal mit englischen und einmal sogar ohne Untertitel.