Sorgen um den Nachwuchs

Die Wahlbeteiligung unter jungen BerlinerInnen ist niedrig. Parteien versuchen sie mit Diskussionen, Aktionen, Konzerten und Briefen zu erreichen. Einen reinen Erstwählerwahlkampf führt aber keine

von Alexandra Müller

In Berlin entscheiden die „Alten“ über den Wahlausgang: Über 30 Prozent der Wahlberechtigten gehören zu den über 60-Jährigen. Dem gegenüber stehen nur 10 Prozent Erst- und Jungwähler, die zwischen 18 und 25 Jahre alt sind. Während aber viele „Alten“ stetig wählen gehen, meiden viele Jugendlichen die Wahlurne. Die Wahlbeteiligung bei Erst- und Jungwählern ist mit knapp 70 Prozent um 8 Prozentpunkte niedriger als der Durchschnitt.

„Seit 15 Jahren ist dies ein generelles Muster“, sagt Geert Baasen von der Geschäftsstelle des Landeswahlleiters. Nach seiner Einschätzung liegt das nicht an Politik-, sondern an Parteienverdrossenheit. „Die Jugendlichen interessieren und engagieren sich für politische und gesellschaftliche Themen in Aktionsbündnissen und NGOs, nicht aber in Parteien oder bei Wahlen“, so Baasen.

Ist die parteiverdrossene Jugend als Wählerpotenzial also überhaupt noch interessant für die Parteien? Die Antworten von Pressesprechern und Wahlkampfleitern sind eindeutig – und angesichts des laufenden Wahlkampfs wenig überraschend: Natürlich seien Erst- und Jungwähler eine nicht zu vernachlässigende Klientel.

Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass es kaum maßgeschneiderte Jugendwahlkonzepte gibt. Der FU-Politologe Oskar Niedermayer sagt: „Leider Gottes ist es die NPD, die die Jugend direkt an den Schulhöfen über CD-Geschenke anspricht.“ Sein Kollege Gero Neugebauer erkennt zwar das Bestreben der Parteien, die Jugend an die Wahlurne zu treiben, „aber angesichts des kurzen Wahlkampfs ist die Umsetzung schwierig“.

Dies bestätigt die Jugendreferentin der Linkspartei, Katja Kösting. „Wir führen aufgrund von Geld- und Zeitproblemen keinen gesonderten Erstwählerwahlkampf.“ Stattdessen versuche sie, Jugendliche durch Podiumsdiskussionen an Schulen oder durch Konzerte wie „Rocken statt Kloppen“ zu erreichen. Außerdem sollen Wohnmobile direkt zu den Jugendclubs fahren.

Auch die Grünen machen nach Angaben ihrer Berliner Wahlkampfmanagerin Kirsten Böttner „keinen speziellen Wahlkampf für junge Leute“. Es gebe aber einzelne jugendspezifische Aktionen wie Schülerpodiumsdiskussionen oder eine Kneipentour der Grünen Jugend.

Während die Grünen bei Jungwählern im letzten Bundestagswahlgang gut abgeschnitten haben, verzeichnete die CDU in dieser Gruppe ihr schlechtestes Ergebnis. Jedoch reagiert die Berliner CDU weder mit einem speziellen Programm noch mit einem Erstwählerwahlkampf. „Unser allgemeines Programm sichert die Zukunft der Jugend“, so Generalsekretär und Wahlkampfleiter Frank Henkel. Erstwählerbriefe könne sich seine Partei dieses Jahr nicht leisten, so Henkel.

SPD und FDP schon. Die Sozialdemokraten, die bei der letzten Bundestagswahl bei den Jungwählern am besten abschnitten, versuchen – wie die Union –, mit jungen Unterstützerteams die Teens und Twens anzusprechen. Am Boxhagener Platz hat man ein auf hip getrimmtes Wahllokal eröffnet, in dem DJs auflegen, Kurzfilme gezeigt werden und Diskussionsrunden mit Politikern stattfinden.

Die Verbindung von Spaß und Politik versucht auch die FDP. So liefen die Jungen Liberalen halb nackt durch Kreuzberg, um zu demonstrieren, dass die Jugend bald arm dastehe. Wenn sie nicht Gelb wählt, versteht sich. Die Liberalen wollen mit speziell auf die Jugend zugeschnittenen Flyern punkten. Einer stellt eine Fernbedienung dar. Doch die Gefahr des Wegzappens ist auch dort gegeben.